Gedanken zur biblischen Tagung mit Dr. Heinrich Dickerhoff zum Thema:

Für wen haltet Ihr den Menschensohn – auf der Suche nach den Spuren Jesu



Obwohl schon mehrere Monate seit der biblischen Tagung mit dem Referenten Dr. Heinrich Dickerhoff Mitte November 2001 vergangen sind, kreisen die Gedanken zu dem Wochenende noch im Kopf. Und dieser Umstand spricht für die Tagung und ihren Nachhall.

Zentrale Frage der Veranstaltung in der Pfarrei Mater Dolorosa war, wo und wie wir heute Jesus begegnen.

Gemeinsam mit zahlreichen Gästen begab sich die Gemeinde auf die Suche nach den Spuren Jesu im heutigen Leben.
Lebendig und doch leise in seiner Vortragsweise begann Dickerhoff zusammen mit den Teilnehmern der Frage nachzuspüren, was Jesus für jeden einzelnen heute in seinem Leben, vor allem im Alltag bedeutet. Wo begegnen wir Jesus? Welchen Platz nähme Jesus als Baum, Landschaft, Möbel-, Kleidungsstück und Musikinstrument im Leben ein. Die Phantasie der Teilnehmer war gefragt. Zusammen erarbeiteten sie ein breitgefächertes Jesus-Porträt. Persönliche Assoziationen schufen eine Vielfalt von Bildern.

Stellvertretend für die vielartigen Motive seien an dieser Stelle die Baumarten und ihre symbolischen Aussagen genannt, mit denen Jesus besetzt wurde:

  • Eiche als Symbol für feste Verwurzelung
  • Apfelbaum wegen seiner Früchte
  • Linde als Schattenspender
  • Zeder als Symbol für Beweglichkeit
  •  Buche genannt aufgrund einer
    persönlichen Beziehung, als Symbol der
  • Zuneigung
  • w Weide als umhüllend, schutzgebend
  • w Birke als zart und leicht, aber sturmbeständig
  • w Affenbrotbaum als exotisches, für uns nicht greifbares Symbol.

 

Halten wir einmal inne und vertiefen uns in diese Bilder... Eine unglaubliche Kraft verbirgt sich hinter diesen Phantasien.

Eine vergleichbare Vorstellungsvielfalt trat in den Bildern von Jesus als Landschaft hervor: Meer, Berg, Tal, Helgoland, hügelige Landschaft wurden genannt.

Bei Möbel- und Kleidungsstücken waren es :

Tisch,

Bett,

Stuhl mit hoher Lehne,

Barock-Schrank

sowie

Jacke,

Mantel,

Wanderschuhe und

warme Socken...

Und immer wieder die Frage, was wäre Jesus für mich?
Zunächst schien es gewagt, Jesus mit derartigen Metaphern zu versehen. Mit den entsprechenden Erklärungen in der Diskussion wurden die verschiedenen Bilder jedoch verständlich und nachvollziehbar. Die zusammengetragenen Äußerungen verdeutlichten, dass es sich um einzelne, persönliche Erfahrungen, nicht um allgemeingültige Aussagen handelte. Auf diesem Weg versuchte Dickerhoff uns zu zeigen, dass sich in unserer Beziehung zu Jesus offenbart, wie das Reich Gottes in uns, zwischen uns ist. Hier sind wir Christen gefordert: Religiöse Toleranz, Hinhören auf eigene Begrenztheit sollten für uns an zentraler Stelle stehen.
Es geht nicht darum, sich einen Jesus nach Maß zu bauen, der einem gut und in die Tasche passt, den man nach Belieben einfach hervorzaubert, sondern der unser alltägliches Leben begleitet, der auch unbequem und herausfordernd ist, für den wir - und somit für den Glauben an Gott - einstehen.
Aus welchem Blickwinkel wir auf Jesus schauen, wie wir ihn wahrnehmen, das bestimmt unser Glaubensleben. Der Gott, den wir uns als Menschen denken, kann nur kleiner und kleinlicher sein, als er ist. Jeder, der von Gott spricht, spricht zunächst von sich selbst, ohne sich dessen bewußt zu sein.
„Im Anfang war das Wort" als Synonym für „im Grunde war das Wort" verstanden – das Wort an den Nächsten und seine Wirkung – die Verständigung zwischen „ICH" und „DU" als gelebten Glauben. Dickerhoff pointiert den Gedanken mit dem modernen Ausdruck „Gott ist Kommunikation".
Im Neuen Testament lebt Jesus uns vor, wer und wo Gott ist. In den Evangelien handelt Jesus für Gott und die Jünger verstehen erst einmal nichts – ein Bild für uns Christen. Wir dürfen nicht und brauchen nicht zu verzweifeln, wenn wir die Tiefen Gottes nicht verstehen. Die Bedürftigen werden von Jesus getragen. Er ist ihre Hoffnung, ihr Halt. Er wendet sich ihnen zu. Die Schriftgelehrten dagegen, die nach Dickerhoff „gnadenlos Guten", stehen für Rechthaberei und Intoleranz. Denn nicht jeder- so Dickerhoff weiter -, der sich auf Gott beruft, sei ein Segen für die Menschheit.

Zurück zur Ausgangfrage der Tagung, was bedeutet Jesus für uns in unserem persönlichen Alltag: Kein entrücktes Ideal, sondern ein – wenn auch in kleinen Schritten – nachlebbares Vorbild.
Das Bewußtsein, mit Fehlern akzeptiert und von Gott in alle Abgründe begleitet zu werden, sollte dem Christenmenschen Zuversicht geben, Berührungsängste zu überwinden und Brücken zu bauen, um so dem Reich Gottes näher zu kommen. Dickerhoff bestärkt uns in dem Glauben an die unverlierbare Würde als Sohn oder Tochter Gottes, die jeden einzelnen zu einem wertvollen Menschen macht. Unser Auftrag als Christen ist es, Menschenfischer zu werden; nicht Seelenfänger, sondern Lebensretter. Dickerhoff bringt es auf die kurze Formel: Kirche ist gleich Gesellschaft für Menschenrettung.

Es kommt uns Christen zu, am Netz des Lebens mitzuweben.
Wie sagte neulich ein kleines Mädchen auf der Schaukel: „Anschwung bitte!"
Heinrich Dickerhoff hilft uns, den Glauben in Schwung zu halten. Wir freuen uns auf die nächste Tagung mit Heinrich Dickerhoff im Herbst 2002 in Mater Dolorosa.

 

Angelika Stellert


 

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