Steglitzer Orgelnacht 2001 – Station 5 K a t h o l i s c h e P f a r r k i r c h e M a t e r D o l o r o s a Berlin -
Lankwitz, Kurfürstenstraße 59 Sonnabend, 7.
Juli, 22. 00 Uhr Johann Sebastian Bach 1685 – 1750 Choralbearbeitung „Wir glauben all‘ an einen
Gott", BWV 680 Felix Mendelssohn Bartholdy 1809
– 1847 Präludium und Fuge G-Dur, op.37,2
César Franck 1822
– 1890 Choral a-moll
an der Späth – Orgel: Hans Peter Simonett Eintritt: 6.- DM
In der Choralbearbeitung „Wir glauben all’ an einen Gott" nimmt Bach von der Liedmelodie lediglich das Anfangsmotiv, es wird zum Thema einer umfangreichen Fuge. Die deutende Aussage des Musikers erkannten die damaligen Hörer in der gleichsam ostinaten Wiederkehr der Baßmelodie, denn Ostinati oder ähnliche nur wenig abgewandelte Wiederholungen wurden als musikalisches Sinnbild für den Glauben und das Vertrauen eingesetzt. Mendelssohn hat schon in frühen Jahren selbst Orgel gespielt. In einem seiner späteren berühmten Orgelkonzerte hat er mit der damals ungewöhnlichen Aufführung gleich mehrerer großer Orgelwerke von Bach eine ansehnliche Summe für ein Bach-Denkmal in Leipzig gesammelt. Robert Schumann hat von diesem Konzert einen eindrucksvollen Bericht gegeben. als Komponist hat Mendelssohn die Orgelmusik vor allem mit sechs mehrsätzigen Sonaten und mit drei Präludien und Fugen bereichert. Unter den drei Präludien und Fugen aus den Jahren 1836/37 ist das Präludium in G-Dur das lyrischste; es ist mit seiner nahezu schwelgerischen Melodie von den barocken Vorbildern der Gattung am weitesten entfernt. In seiner abgerundeten Form ist es den „Liedern ohne Worte" für Klavier vergleichbar. Aber anders als in etlichen Partien seiner großen Sonaten für die Orgel überträgt Mendelssohn hier nicht die Klaviertechnik auf die Orgel. Er komponiert vielmehr so, daß durch unterschiedliche Satzdichte, die zugleich an die harmonischen Fortschreitungen gebunden wird, eine innere Dynamik entsteht, die den starren Orgelklang aufhebt, ohne daß es einer Registeränderung bedarf. Die Tendenz zur Abrundung, zur Verselbständigung der Abschnitte - wie das bei den Romantikern nun einmal beliebt war - macht es zu einem interpretatorischen Problem, den Zusammenhang mit der anschließenden Fuge herzustellen. Obwohl die Fuge im Thema den Anschein von barockem Pathos erweckt, ist sie doch eine typisch romantische Komposition. Der Komponist nimmt sich die notwendigen Freiheiten in der Fugentechnik; so hält er sich nicht immer an die Vierstimmigkeit, sondern füllt die Akkorde auf, wie es jeweils für die klangliche Wirkung günstig ist. Trotz der kontrapunktischen Technik ist die jeweils oberste Stimme die kontinuierliche Melodie, die in unaufhaltsamer, meist aus dem Thema gewonnener Fortspinnung sich zum Schluß steigert César Franck gehört zu den einigermaßen bekannten Komponisten des 19. Jahrhunderts. Seiner Symphonie begegnet man immer wieder in den Konzerten der bedeutenden Orchester, auch in der Kammermusik gehören einige Werke zum festen Bestand. Am häufigsten aber werden wohl seine Orgelwerke zu hören sein. Als Organist und Lehrer am Conservatoire in Paris hatte sich Franck in den letzten beiden Jahrzehnten seines Lebens hoher Wertschätzung erfreuen können. Mit seinen Hauptwerken wie den Opern und seinem hörenswerten Oratorium Les Béatitudes hatte er dagegen weniger Erfolg, denn er hatte eine höchst persönliche musikalische Sprache gefunden, an die man sich erst gewöhnen mußte. Sein Schüler Paul Dukas verwies darauf, daß kein Musiker Francks Autorschaft selbst bei einer unbekannten Phrase verkennen könne. In seinem letzten Lebensjahr hat er drei
größere Orgelwerke komponiert, die ihrem Aufbau
nach in die Tradition der symphonischen Dichtungen gehören;
er hat sie „Choral" genannt. Was dann innerhalb der
Komposition in a-moll unmittelbar als „Choral" empfunden
wird, ist aber weder eine gregorianische Melodie noch ein neueres
Kirchenlied. Der Komponist erfindet nach Art des Chorals seine eigene
Melodie; da sie untextiert bleibt, ist das dann ein sehr
persönliches Gebet. Es wird eingerahmt durch schnelle,
unruhige Figurationen und dissonante Klangballungen, die abrupt ohne
ihre logische Fortsetzung stehen bleiben. Die Melodiezeilen des
„Chorals" erklingen immer ganz leise. In einem langen
Mittelteil (adagio) wird in der Art einer Arie erst im Sopran, dann
in der Mittelstimme ein ganz subjektiver Gesang dem ohnehin schon
persönlichen „Choral" gegenübergestellt.
Im virtuos gestalteten Schlußteil mit seiner großen
Klangsteigerung werden die „Choral"-Melodie und die
unruhige Figuration des Beginns miteinander verknüpft. Was
anfangs ein Gegensatz war, ist nach der langen symphonischen
Entwicklung zur Einheit geführt. |