Das Heilige Jahr (Teil 6) Der Papst blickt auf das dritte Jahrtausend Vatikanstadt (KNA) Minutenlang kniete der Papst in einen goldenen Chormantel gehüllt schweigend auf der Schwelle der noch geöffneten Heiligen Pforte. Dann erhob er sich, auf seinen Hirtenstab gestützt, und zog die beiden schweren Bronzeflügel hinter sich zu. Hörbar fiel das Portal ins Schloss. Und mit dem feierlichen "Te Deum" am Schluss der Messe ging das Heilige Jahr, das "Große Jubiläum" der Christenheit zu Ende. Zum letzten Mal hatten sich rund 150.000 Gläubige zu einer großen Heilig-Jahr-Messe auf dem Petersplatz versammelt. Schon in den frühen Morgenstunden herrschte rund um den Petersplatz Hochbetrieb, Absperrungen waren errichtet, Kontrollen durchgeführt, die "Volontari", die freiwilligen Helfer mit ihren blauen Umhängen, leiteten die Menschenmassen. Zum letzten Mal erklang die eingängige Heilig-Jahr-Hymne, die 379 Tage lang die vielen Messen, Feiern und Feste, die Kongresse und Großveranstaltungen begleitet hatte. Bis in die späten Abendstunden hatten zuvor noch zehntausende Menschen zum letzten Mal die Heilige Pforte durchschnitten, um den besonderen Jubiläumsablass zu erhalten. Die Heilige Pforte werde geschlossen, aber die "lebendige Tür, Jesus Christus, die sie darstellt, bleibt offen", betonte der Papst. Der Elan des Heiligen Jahres müsse sich in neue Dynamik für das kirchliche Leben umsetzen. Dazu hatte Johannes Paul II. eigens ein Apostolisches Schreiben verfasst, das er am Schluss der Messe unterzeichnete. Als Höhepunkte des Heiligen Jahres bezeichnete er darin das "Mea Culpa" und die Vergebungsbitte der Kirche, seine Reise ins Heilige Land, aber auch die großen Treffen der Jugendlichen und der Familien, der Kranken und Behinderten, der Künstler und Kinder. Der Enthusiasmus des Heiligen Jahres müsse in wirksame Seelsorgeprogramme umgesetzt werden, mahnte er die Kirche. Der Papst selbst wollte kein komplettes Programm vorlegen - das sei Aufgabe der einzelnen Ortskirchen. Er beschränkte sich auf einzelne Akzente und Linien. Besonders strich er die Ökumene heraus. Sie bleibe eine Aufgabe und "traurige Hinterlassenschaft der Vergangenheit" über die Jahrtausendschwelle hinaus, "ein lmperativ, der verpflichtet, eine Kraft, die trägt, und ein heilsamer Tadel für unsere Trägheit und Enge unserer Herzens". Der ökumenische Weg bleibe sicher mühsam, vielleicht auch noch lang, aber es gebe immer die Hoffnung zu "neuen Überraschungen", fügte er vielsagend hinzu. Und auch der interreligiöse Dialog müsse weitergehen, so der Papst. Er sei wichtig als Voraussetzung für den Frieden und gegen das "düstere Gespenst der Religionskriege in der Vergangenheit". Allerdings könne der Dialog die eigentliche Missionsarbeit nicht ersetzen. Auch die teilweise spektakulären und erfolgreichen sozialen und karitativen Initiativen des "Anno Santo" müssten weitergehen, forderte der Papst. Neue Schritte zum Abbau der Auslandsverschuldung seien gefragt. Zwar sei manches - nicht zuletzt auf Drängen von Papst und Kirche - erreicht, vieles stehe aber noch bevor. Als konkrete und bleibende Maßnahme des Heiligen Jahres 2000 kündigte Johannes Paul II. die Bildung einer Stiftung aus den Erlösen des Heiligen Jahres an, der für die "Caritas" des Papstes zur Linderung der Not in der Weit eingesetzt werden soll. Mit dem Abschluss des Heiligen Jahres hat Papst Johannes Paul II. auch ein persönliches Ziel erreicht, der vor 22 Jahren antrat, um die katholische Weltkirche zum dritten Jahrtausend zu führen. Zunächst etwas müde, aber sichtlich bewegt, vollzog er bei frühlingshaften Temperaturen die dreistündige Zeremonie zum Abschluss des Jahres, das auch sein persönliches Jubiläum war. Mit energischer Stimme wandte er sich dann in seiner letzten Heilig-Jahr-Predigt an die Gläubigen. Vor der Fassade des Petersdoms, der größten Kirche der Welt, setzte er dann die Unterschrift unter das Schluss-Dokument: "Zu Beginn des neuen Jahrtausends". Und während der Papst strahlend im offenen Jeep über den Petersplatz fuhr, erklang zum letzten Mal das Motto des Heiligen Jahres: "Christus gestern, heute und immer". Korrespondentenbericht der Kath. Nachrichtenagentur (KNA) vom 9. Januar 2001 |