Eine Fahrt in das ehemalige deutsch-österreichisch-polnische Grenzgebiet

Reiseeindrücke

Sonnabend, 15. September 2001, der erste Tag:

Pünktlich um 9.04 Uhr fährt der IC vom Bahnhof Zoo Richtung Katowice/Kattowitz ab. Wir - eine unternehmungslustige Gruppe von 30 Personen aus unserer Pfarrgemeinde unter der Leitung unseres Küsterehepaares Barbara und Jan Scheja - wollen einfach dieses so geschichtsträchtige Gebiet zwischen Pszczyna/Pleß im Westen, Krakow/Krakau im Osten, Czestochowa/Tschenstochau im Nor-den und Zakopane im Süden ken-nenlernen.

Ankunft am Nachmittag in Kattowitz; ein Bus bringt uns zu unserem Quartier in Pleß, das Abendessen werden wir nun an allen Tagen in einem hübsch ausgestatteten Restaurant im Zentrum der Stadt einnehmen.

Der zweite Tag:

Sonntagvormittag ist Gottesdienstbesuch angesagt; das unserem Quartier benachbarte Gotteshaus erinnert an die Kirchweih‘. Neun (!) Priester feiern während ca. eineinhalb Stunden die Hl. Messe, deren Besuch mit einem Ablass verbunden ist.

Leider sind die meisten von uns der polnischen Sprache nicht mächtig, doch wird die uns überlang erscheinende Zeit durch die faszinierende Ausgestaltung des kultischen Ablaufs mit viel Gesang und Prozession abgekürzt. Unsere beiden Reiseinitiatoren, Barbara und Jan, bemühen sich nach Kräften, uns das Gesehene zu übersetzen.

Am Ausgang erwartet uns der Kirmes-Markt, Bude an Bude reiht sich um den vorgelagerten Parkplatz. Etwas beschwerlich bahnen wir uns einen Weg durch Menschenmassen und Regen ...

Nachmittags besichtigen wir das Schloss von Pleß beeindruckend die Zusammenstellung des Interieurs, was trotz der Kriegswirren von 1945 und später noch übrig geblieben ist. Draußen, in dem mit Liebe zur Natur wieder hergerichteten Schlosspark, ruhen die Ahnen des letzten fürstlichen Besitzers aus dem Geschlecht derer von Anhalt-Köthen, die deutsche Inschrift am Monument offensichtlich aufgefrischt ...

Der dritte Tag:

Nach morgendlicher Besinnung geht’s zum Salzbergwerk nach Wielizka, etwa 15 km südöstlich von Krakau gelegen. Zwei Kilometer weit bewegen wir uns in Tiefen zwischen 64 und 135 Metern. Welch phantastische, in den Salzstein gehauene Reliefs erwarten uns! In ihren Ausmaßen kann es die "Kapelle der hl. Kinga" gut und gerne mit mittelgroßen Kirchengebäuden aufnehmen. Selbst ein Restaurationsbetrieb findet in einer der vielen Höhlen noch Platz. Aber auch Genesungsuchende nutzen das Bergwerk in seinen verschiedenen Stollen.

Auf der Rückfahrt statten wir dem Geburtshaus von Papst Johannes Paul II. in seiner Heimatstadt Wado-wice einen Besuch ab. Das nunmehr nur der Erinnerung gewidmete Haus überzeugt in seiner Schlichtheit des Gezeigten; keinerlei Anzeichen kultischer Verehrung ...

Der vierte Tag:

Die mittelalterliche Hauptstadt des Königreiches Polen stand auf dem Programm: Marienkirche mit dem bewunderungswürdigen Veit-Stoß-Altar und dem vom selben Meister stammenden Steinkruzifix, erschütternd hier die Darstellung des Todeskampfes Jesu. Danach Besteigung des Wawel, anfangs Regierungssitz, später nur noch Krönungsstätte für die Könige in Warschau. In der Krönungskathedrale ruhen die Gebeine fast aller polnischen Könige des 14. bis 16. Jahrhunderts. Den Nach-mittag beschließen wir bei einer Tasse Kaffee auf dem Markt; gegenüber liegen die "Tuchhallen", nicht unähn-lich einem Basar ...

Der fünfte Tag:

Wir beginnen den Tag mit einem Gebet, das den Apell an die Menschlichkeit in der Gesinnung und die Bitte um Versöhnung einschließt, denn heute werden wir angesichts des Entsetzlichen, was an diesem Ort geschah, verstummen: Wir besuchen die Konzentrations- und Vernichtungslager in Auschwitz und Birkenau. Sehr sachlich, aber nicht emotionslos bemüht sich unsere polnische Begleiterin, uns das Grauen jener Zeit vor Augen zu führen. Angesichts der anderthalb Millionen Opfer, allein in diesen Lagern, gelingt es einigen von uns kaum, die Fassung zu bewahren ...

Der sechste Tag:

Wir suchen Erholung und fahren nach Zakopane, in das Gebiet der Beskiden. Ein Pferdegespann bringt uns zu einem Hochplateau mit einer herrlichen Aussicht auf das schneeglitzernde Gebirgsmassiv der Hohen Tatra. Die Sonne verwöhnt uns ...

 

Der siebente Tag:

Czestochowa/Tschenstochau birgt auf der Jasna Gora, dem "Klaren Berg", das Nationalheiligtum aller Polen: Das Bild der "schwarzen Madonna", das seit Jahrhunderten ungezählte Pilgerscharen anzieht. Für uns immer wieder erstaunlich, jedoch nicht befremdlich, die Inbrunst, mit der hier gesungen und gebetet wird. Hier ist sich Polen eins mit Muttergottes und Land ...

Anschließend noch schnell ein Abstecher zum "Schlesischen Meer", einem Stausee, der vor allem der Trinkwasserversorgung dient.

Den Abschied von dieser Reise feiern wir außerhalb unseres Quartierortes bei einem Lagerfeuer in einer Waldlichtung. Unsere "Gruppenbetreuer", Barbara und Jan, hatten fürsorglich alles vorbereitet. Ein sehr engagierter Musikus spielt mit dem Akkordeon auf. Bei Musik, Tanz und Gesang sowie Würstchen und Kuchen genießen wir die abendliche Stimmung ...

Der achte Tag:

Rechtzeitig treffen wir wieder mit dem Bus am Bahnhof in Kattowitz ein und besteigen den Zug heimwärts. Unterwegs werden wir mit Kaffee und Kuchen versorgt ...

Ich denke, im Namen aller Teilnehmer zu sprechen, wenn ich "sage": Es war nicht nur eine sehr informationsreiche, sondern auch sehr schöne Fahrt, denn man spürte, dass hier eine Gruppe zusammenwächst. Noch einmal sagen wir ganz herzlichen Dank unseren beiden Reiseveranstaltern; ihrer Initiative und natürlich ihren Sprachkenntnissen ist das Zustandekommen einer solchen Reise zu verdanken!

W. Grünky

 

  

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