Eine Kreuzwegbetrachtung In der Nähe der Gedenkstätte Plötzensee kennen wir die Kirche "Maria Regina Martyrum". Sie ist sicher nichts für den eiligen Touristen, sie ist eher ein Ort, der uns einlädt und ermutigt zu verweilen. Als Plötzensee noch die Opferstätte in dunkelster Zeit war, starben dort viele Menschen ganz bewusst in ihrer Hoffnung auf Auferstehung. Dieser Hoffnung, die vernichtet werden sollte, wurde mit diesem Gotteshaus ein sichtbares Zeichen gegeben. In den Tagen auf Ostern zu rückt der Kreuzweg Christi mehr in unser Blickfeld. Im Innenhof der Kirche finden wir den Kreuzweg. Er ist es wert, dass der Betrachter oder auch Beter sich etwas Zeit nimmt und einfangen lässt von den Darstellungen, die unseren Augen und damit auch unserem Herzen eingeprägt werden. Ich möchte hier nur auf einige Stationen des Kreuzwegs in Maria Regina Martyrum Ihr Augenmerk lenken. Vielleicht hilft es, bei einem Besuch dort sich die Zeit zu nehmen (es ist geschenkte Zeit). Der Kreuzweg wird eröffnet mit einer gesichtslosen Figur, die eigentlich nur Masse darstellt. Pilatus oder der eine Freisler oder die vielen Freislers und furchtbaren Juristen, die glaubten, sie können sich zu Gott machen, aber zur dämonischen, unmenschlichen Fratze wurden. Ihm oder ihnen ausgeliefert Jesus von Nazareth, nach menschlichen Maßstäben hilflos, die hohnvolle Dornenkrone bezeugt das. Aber ohne Dornenkrone kein Christkönig. Auf dem Kreuzweg Jesu gab es nicht nur Verhöhnung oder die Schaulust der Masse. Auf dem Kreuzweg Jesu gab es auch Trost, Begleitung und Hilfestellung. Wir kennen sie. Auf dem Kreuzweg nach Plötzensee gab es in den Gefängnissen des Terrors auch mutige Menschen, die trotz ihrer Ohnmacht und Hilflosigkeit Trost und menschliche Nähe zu vermitteln versuchten. Die vielen Simons, Veronikas, Mütter oder weinenden Frauen sind gemeint, wenn dort im Kreuzweg der Kirche diese Stationen in einer zusammengefasst sind: Trost in eigentlich trostloser Situation. Die Station "Christus stirbt am Kreuz" ist ein wenig von der Mauer abgesetzt und erhöht. Sie zeigt eigentlich nur Zerschlagenes, Chaos, das Vernichten eines Menschen. Der Betrachter dieser Station ist gezwungen, ein bisschen zurückzutreten. So richtet sich sein Blick ganz von selbst nach oben und er schaut über diesen trostlosen Ort und über die Mauer hinauf in den Himmel. Dort, wo Menschen versuchten, allem und vor allem Menschen ein Ende, Vernichtung zu bereiten, erkennen die Augen, dahinter dann auch das Herz, dass alle Vernichtungswut - damals auf Golgotha und auch damals in Plötzensee - nichts vermögen gegen das Licht. Einzigartig am Kreuzweg dort ist der Abschluss durch eine Auferstehungsstation: Engel, die Frauen, das leere Grab. Im Dreieck zwischen der Todesstation und der Auferstehungsgruppe ein großer Altar, also der Ort, an dem Kirche sich versammelt, um den auferstandenen Christus zu feiern - die Kirche unterwegs und auch in der Spannung zwischen Golgotha und Ostern, auf einem Weg, von dem wir nicht wissen, wie weit wir sind, von dem wir aber wissen, dass wir auf ihm unterwegs sind. L.G. |