Liebe Gemeinde,

das vorige Monatsheft wurde Ende Juni gedruckt. Am letzten Juniwochenende unternahm unser Kirchenchor seinen diesjährigen Ausflug, der ins Erzgebirge führte. Es scheint schon lange her zu sein, dennoch will ich mit einem Rückblick auf dieses Ereignis beginnen, denn es war nach meinem Begreifen ein sehr schöner Ausflug. Die Kürze der Zeit erlaubte freilich nur wenige Möglichkeiten zur Besichtigung beeindruckender Orte und Ansichten. Aber ein wenig schien schon auf von der guten Art der Menschen dort. Unser Chor übernahm am Sonntag die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes in der Marienberger Pfarrkirche (ein Jahr nach unserer Klosterkirche erbaut). Die Gegend dort ist katholische Diaspora, wenige Katholiken zerstreut über etliche Dörfer. Das Wort "Diaspora", das wir hier ja auch manchmal im Munde führen, hat dort einen ganz anderen Anblick.

Ich bewundere die Gläubigen dort, die lange (und früher auch beschwerliche) Wege auf sich nehmen, um einmal in der Woche miteinander Gottesdienst feiern und gläubige Gemeinschaft erleben zu können. Ich bewundere auch den Pfarrer dort, der z.B. am Sonntag unseres Besuches sofort nach dem Gottesdienst sich auf den Weg machte, um in zwei Dörfern mit kleiner Gemeinde Gottesdienst zu feiern. Mir kam es in den Sinn, wie oft wir hier in unserem Sattsein in der Kirche einen Dienstleistungsbetrieb sehen (auf Neudeutsch etwa ekklesiale Service-Station). Ich glaube auch, dass es hier bei uns sehr viele Gläubige gibt, die in der Kirche den Ort und die Gemeinschaft finden, in der sie Gottes Wort hören, wo sie voller Freude Gottesdienst miteinander feiern, wo das Lob Gottes aus Freude über unser gottgegebenes Leben erklingt. In jenem Sonntagsgottesdienst gab es zwei kleine Meßdiener (zwei große waren auch da, aber ich schaute auf die kleinen). Da sprang meine innere Uhr und meine Gedanken, damit auch ein Stück Herz zurück auf Sonntag, 13. Mai 1956, es war der Sonntag vor Pfingsten. Das war mein letzter Ministrantendienst in jener Kirche. Und fast scheint es, als stehe man plötzlich neben sich selbst und hat sich selbst vor Augen und schaut jenem Gottesdienst vor 45 Jahren zu. Und da sind sie auch wieder, die Träume, Hoffnungen, Erwartungen, abenteuerliche Gedanken von damals, gegenwärtig und lebendig. Und dann springt die Uhr wieder in die "Normalzeit". Und auf einmal kann ich voller Glück und mit großer Freude feststellen, wie viele dieser Träume und Hoffnungen Wirklichkeit geworden sind.

Der Chor hat diesen Gottesdienst gut und zur großen Freude aller Mitfeiernden gestaltet. Der dortige Organist, unter der Woche Betonmischerfahrer, hat spontan mitgewirkt und große Begeisterung gezeigt. Es war ein Ausflug, der vielleicht allen gut tat: wir haben Schönes gesehen, Großartiges erfahren und Gutes bewirkt.

Im September bittet der Caritas-Verband in der traditionellen Caritas-Herbstsammlung wieder um unsere Hilfe. "Caritas" ist ein Standbein der Kirche. Im helfenden Ernstnehmen des Menschen, der aus eigener Kraft sich aus einer wie auch immer gearteten Misere nicht mehr befreien kann, machen wir hier durch unsere Hilfe deutlich, was wir selbst erfahren: Gott hat sich unser angenommen, weil wir aus eigener Kraft uns nicht aufschwingen können. Genau diese Erfahrung - dann aus Dankbarkeit - können wir anderen zuteil werden lassen. Ich habe es in diesem Jahr verpasst, rechtzeitig Überweisungsvordrucke für die Caritassammlung herstellen zu lassen. Darum bitte ich alle, die ihre Spende überweisen wollen, die banküblichen Vordrucke zu verwenden und in der Spalte "Verwendungszweck" ‚Caritas-Herbstsammlung‘ anzugeben.

Vor einigen Tagen erreichte uns ein Brief des Anselm-von Havelberg-Hauses in Kladow. Danach ist wohl geplant, aus Finanznöten diese segensreiche Einrichtung zu schließen. Viele unter uns, die heute durchaus nicht mehr "die jungen Leute" sind, erinnern sich voller Freude, welchen Gewinn sie aus Aufenthalten in Kladow gezogen haben. Unser Bistum ist nun siebzig Jahre alt, den größeren Teil dieser Jahre hat es unter nationalsozialistischem und dann kommunistischem Terror erlebt. Für den Westberliner Teil des Bistums war die Unterdrückungszeit gottlob erheblich kürzer. In dieser Zeit fanden die gläubigen Jugendlichen aus Westberlin, denen die anderen Einrichtungen wie etwa in Alt-Buchhorst versperrt waren, dort in Kladow einen guten Ort. Auch heute ist das Haus nach Aussagen der Hausleitung und eigenen Erfahrungen sehr gefragt und beansprucht, ein Zeichen für die dort gewirkte Anstrengung. Es sollte jeder Versuch und jede Anstrengung unternommen werden, um dieses Haus, das in der jungen Geschichte des Bistums auch seine Geschichte hat, zu erhalten. Es liegen in der Kirche auch Unterschriftslisten aus, um diese Bitte zu bekräftigen.

Mit herzlichem Gruß aus dem Pfarrhaus, Ihr Pfarrer Lutz Gottschalk.

 

 

  

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