Liebe Gemeinde,
vor
Aschermittwoch liegt in unseren Breiten Karneval,
gewiß nicht so ausgiebig und alle Maßen
sprengend wie etwa im Rheinland oder in
Südwestdeutschland, aber ein bißchen eben
auch. Unsere Gemeindefaschingsfeier haben wir in diesem
Jahr absagen müssen. Als wir schon einmal abgesagt
haben, hatte gerade der Golfkrieg begonnen, niemandem
war zum Feiern zumute. Diesmal droht dort wieder der
Krieg, der Grund zur Absage aber liegt in der
mangelnden Nachfrage. Vierzig Karten im Vorverkauf,
erfahrungsgemäß bringt die Abendkasse nicht
viel, verrät, daß Stimmung zum Faschingfeiern
- jedenfalls beim Gemeindefasching - nicht vorhanden
ist. Auf den Kosten wären wir sitzengeblieben,
viel Aufwand beim Schmücken und Bauen wäre
vergeblich gewesen. Auch die Stimmung wäre wohl in
einer Pathologie viel fröhlicher als wenn sich
einige im Raum verlieren.
Die finanzielle Situation, die die
Kirchenverwaltung in Berlin herbeigeführt hat, ist
inzwischen in aller Munde. Die Heilsgemeinschaft der
Gläubigen, das ist die Kirche, erfährt mit
Entsetzen, daß Kirchenverwaltung die
Maßstäbe einer morallosen Wirtschaft
verinnerlicht. Menschen, die treu für die Kirche
gearbeitet haben und auf die Kirche vertrauten, werden
auf die Halde der Arbeitslosigkeit geworfen. Kirchen,
für die einmal Menschen ihre Scherflein
zusammentrugen, um dort einen Ort zu haben, den sie als
Glaubende aufsuchen und über den sie sich freuen
konnten, sollen von jenen, denen dieser Platz nichts
bedeutet, verhökert oder zerstört werden.
Meiner Erinnerung nach war die letzte Kirche, die in
Berlin in die Luft flog, die Versöhnungskirche an
der Bernauer Straße. Den Kommunisten war sie in
ihrer Sucht, auf Menschen zu schießen, im
Wege.
Die hiesige Kirchenverwaltung
fügt der Gemeinschaft der Gläubigen, das ist
die Kirche, Schaden zu.
Die bisher von den Gläubigen erarbeiteten
Gelder, also auch die Kirchensteuer, fließen nicht
mehr in bisherigem Maße den Gemeinden zu. Das Geld
wird gebraucht zur Finanzierung der Fehler der
Kirchenverwaltung; die Gemeinden werden in ihrem
Bemühen hintangestellt. Unsere Gemeinde
gehört nicht zu den reichen Gemeinden. Unsere
Aufwendungen und Ausgaben rekrutieren sich aus den
Kollekten, die der Gemeinde verbleiben, das ist
ungefähr die Hälfte der Sonntage im Jahr.
Durch den Rückgang der bisher aus Steuergeld uns
zugekommenen Gelder haben wir im Kirchenvorstand
überlegen müssen, einen Ausgleich zu
versuchen. Wir wollen ab jetzt an den Sonntagen, an
denen die Kollekte nicht für Gemeindezwecke ist,
einen zweiten Korb umgehen lassen, in dem wir Spenden
für unsere Gemeinde sammeln wollen. Ich glaube
zwar, daß dann "gehälftelt" wird (aus einem
fünfzig-Pfennig-Stück werden dann zwei
Groschen, die in die Körbe verteilt werden), aber
auch das ist schon etwas, da diese Sonntage ja
ansonsten völlig an uns vorbeigehen. Ich bitte
alle Gemeindemitglieder um ihr Verständnis und um
ihre Hilfe.
Am Anfang dieses Monats
eröffnet der Aschermittwoch die Fastenzeit. Wir
wollen gleich zu Beginn dieser Zeit, am Sonntag, 9.
März, einladen zum Misereor-Eintopf-Essen. Dies
ist ja inzwischen gute Tradition geworden. Bei
schmackhafter Erbsen- oder Kartoffelsuppe mit oder ohne
Würstchen können wir einen Beitrag leisten
zur Unterstützung von Misereor.
Mit herzlichem Gruß aus dem
Pfarrhaus,
Ihr Pfr. Lutz Gottschalk.
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