"Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie...." meinte Ludwig van Beethoven und beschrieb damit eindrücklich, was er mit seiner Musik zu erreichen gedachte. Bach meinte Ähnliches, wenn er über oder unter seine Kompositionen "Ad maiorem gloriam Dei" (zur größeren Ehre Gottes) schrieb. Anton Bruckner widmete seine 9. Sinfonie, die eine Bilanz all seines musikalischen Wirkens ist, gar dem lieben Gott persönlich. Es ist offenbar ein Bedürfnis vieler Komponisten religiöse Inhalte über die Musik zu vermitteln, auch noch in der modernen und avantgardistischen Musik. Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele Forscher meinen, die Ursprünge der Musik seien in rituellen Klagegesängen und Tänzen zu suchen, die eine Brücke in die Unendlichkeit sein sollten, um das Leid auf der Erde zu mildern und dem Leben einen Sinn zu geben. Diese Erfahrung ist uns heutigen Menschen nicht fremd, denn wie oft suchen wir gerade in Kummer und Schmerz Trost in der Musik oder versuchen zumindest, uns den Problemen des Alltags für ein paar Momente zu entziehen. Und wohl jeder kennt den heiligen Schauer, der einen ergreifen kann, wenn in einer großen Kirche mit einer tragenden Akustik, eine schöne Musik sich buchstäblich in den Himmel enthebt und uns für einen Moment die Schwere des Erdenlebens vergessen lässt. In diesen Situationen ist Musik im besten Sinn des Wortes "Theologie" in Tönen, wenn man das originale griechische Wort einmal nicht nur als "Wort (Lehre) über Gott" sondern als "Wort von Gott" übersetzt. Für mich persönlich ist es eine der schönsten Aufgaben eines Musikers – und vielleicht seine ureigenste Berufung - buchstäblich wie ein weltenthobener Sternengeiger, der auf dem silbrigen Band der Sterne mit seinem Instrument in die Unendlichkeit hört, diese Töne, die er hört, auf die Erde tropfen zu lassen in alle möglichen Melodien und somit den Hörer für einen Moment selbst zu erheben und ihn buchstäblich mit der Stirn den Himmel berühren zu lassen. Wir wissen seit langer Zeit, dass es keine Sphärenmusik, wie sie in alten Weltbildern postuliert wurde, gibt, aber wenn beispielsweise die alten Ägypter in der schwarzen Nilnacht, die Augen zum Himmel hoben, mögen sie ganz ähnlich empfunden haben. Und es ist nicht verwunderlich, dass in allen Kulturen die Musik einer göttlichen Sphäre entstammt. Wie eine Mutter ihr Kind tröstet oder in den Schlaf singt, so möchten wir eigentlich den Gesang Gottes in der Welt vernehmen. Das Paradoxe ist, dass wir diesen Gesang am besten hören, wenn wir selber singen. Der Psalmist mag ganz ähnlich empfunden haben, als er all sein Leben buchstäblich aussang und vor Jahwe stellte. So gesehen ist die Musik ein wert-voller Bestandteil und wunderbare Ergänzung des Gottesdienstes. Sie ist nicht unverzichtbar, denn die Liturgie bedarf im eigentlichen Sinne der Musik nicht, aber Musik eröffnet oder erleichtert einen mystischen Zugang zu Gott und so hat auf dem 2. Vaticanum die Kirchenmusik nicht ohne Grund eine deutliche Wertschätzung erfahren. Wir erleben heute eher einen gegenläufigen Trend. Es ist sehr die Frage, inwieweit diese Wertschätzung auf Grund des Finanzdesasters des Bistums und der daraus resultierenden Sparmaßnahmen sich in Zukunft noch beibehalten lässt oder gewünscht ist. Infolge der einschneidenden Sparmaßnahmen werden sich wohl nur noch an zentralen Stellen ausgebildete Kirchenmusiker in nennenswertem Umfang beschäftigen lassen. Dies ist ein quasi elitärer Ansatz und führt bei allem Verständnis für notwendige Sparmaßnahmen zu einem kulturellen Kahlschlag. Mein Anliegen ist es, trotz dieser misslichen Situation, der Musik ihren Platz zu sichern und – wenn möglich – vielleicht sogar etwas auszubauen. In diesem Sinne möchte ich einen kurzen Ausblick auf die künftigen Aktivitäten geben. Vielfach sind zum Hören von Musik ein paar Erläuterungen hilfreich. Ein wenig dazu beitragen sollen die Ihnen seit kurzem präsentierten skizzenhaften Werkeinführungen auf der Rückseite des Liederzettels, mit denen ich versuchen möchte, mit möglichst einfachen und bildlichen Worten einen Zugang zu ausgewählten Orgelwerken zu vermitteln. Ihre Rückmeldungen darüber belegen den Sinn dieser Aktion und bestärken mich darin, dies auch in Zukunft weiterzuführen, auch wenn ich um Verständnis bitten muss, dass ich das nicht für jeden Sonntag leisten kann. Neben dem Wunsch, Ihnen immer wieder neue, im wahrsten Sinne des Wortes ansprechende Orgelmusik zu Gehör zu bringen, steht unverändert natürlich auch in diesem Jahr die Gestaltung besonderer Gottesdienste mit dem Chor im Mittelpunkt. Unser erster "Auftritt" wird zur Feier des Kirchweihfestes sein. Wesentliche Aufgabe in diesem Jahr wird es dabei sein, das Repertoire der Wechselgesänge mit der Gemeinde zu erweitern. Letztlich ist dies eine uralte Tradition (bereits bei den Choralgesängen), um auch das Hören des Textes zu erleichtern und einen meditativen Charakter zu erreichen. Neue Gesänge aus Taizé sollen dies unterstützen. Fest eingeplant ist auch wieder die Gestaltung der Karfreitagsliturgie mit der "Johannnespassion" von Heinrich Schütz. Dieses musikalische "Verlesen" der Passion ist im letzten Jahr sehr positiv aufgenommen und angenommen worden und der Chor hat es sich daher gewünscht, dieses Werk nach der intensiven Arbeit im letzten Jahr noch einmal aufzuführen. Es geht dabei nicht um einen Konzert-charakter sondern darum, das Karfreitagsgeschehen – ganz im Sinne der Eingangsbemerkungen - durch die Musik unmittelbarer und elementarer erleben und bedenken zu können. Der traditionelle Festgottesdienst zum Patronatsfest wird in diesem Jahr musikalisch einmal etwas anders gestaltet. Unser Pfarrer hat dankenswerterweise in den letzten Jahren sehr großzügig immer die Aufführung von Orchestermessen ermöglicht (der Himmel weiß, wo er das Geld dafür immer wieder aufgetrieben hat...). Im Hinblick auf das Jubliäumsjahr mit einigen besonderen Veranstaltungen möchte ich diese Tradition in diesem Jahr jedoch brechen und mit dem Chor die Messe in D-Dur op. 86 für Chor und Orgel von Antonin Dvorak aufführen. Dieses Werk ist getragen von einer tiefen Frömmigkeit des Komponisten, die sich in einem typisch böhmischen Charakter, sehr liedhaft, den zentralen Glaubensgedanken zu nähern versucht. Maria Magdalena hat es erfahren, dass das Ostergeheimnis nicht unter Pauken und Trompeten daher kommt. In ihren Tränen wurde sie ganz still mit ihrem Namen gerufen, wie ein Hirt seine Schafe ruft. Dieser pastorale Charakter passt sicher sehr schön zu unserem Fest. Zwei Solo-Arien ("Er weidet seine Schafe" und "Ich weiß, dass mein Erlöser lebet") werden diesem Aspekt zusätzlich Rechnung tragen. Im Vorfeld der Johannespassion und dieser Dvorak-Messe wird es im übrigen erstmals für Interessierte eine Werkeinführung geben, um den Zugang und das Verständnis der Werke zu erleichtern. Den musikalischen Höhepunkt möchte ich mit dem Chor quasi zum Auftakt des Jubiläumsjahres am 1. Advent setzen und dafür auf das traditionelle Chorkonzert im Spätsommer/Herbst des Jahres verzichten. Wir wollen uns einer großen Herausforderung stellen und den "Messias" von Georg Friedrich Händel aufführen. Ich glaube, dass dieses Werk ganz wunderbar zum Namen unserer Gemeinde passt, da in diesem Werk der Heiland und Erlöser immer wieder sehr zärtlich besungen wird, eben als Hirte. Die musikalische Interpretation soll denn auch nicht triumphierend daherkommen, wie es häufig geschieht, sondern einen eher schlanken, eher innerlichen Ansatz haben. Auch für dieses Werk wird es eine ausführliche Einführung geben. Wir wollen für dieses Konzert neue Wege der Finanzierung und der Werbung gehen, ein bescheidener Eintrittspreis wird aber unverzichtbar sein. Es wäre schön, wenn unsere Kirche zu diesem Konzert einmal aus allen Nähten platzen könnte und neben der Finanzierung der Musiker dabei auch noch ein Obolus für die Kirchenrenovierung herausspringen könnte. Einen Beitrag ganz anderer Art zu der Finanzierung unserer Musik möchten wir mit einer CD leisten, die vom Chor aufgenommen werden soll und auch Orgelwerke (gespielt auf unserer Orgel) beinhalten soll. Unser Wunsch ist es, spätestens zum Weihnachtsbasar eine derartige CD präsentieren zu können. Für das Jubiläumsjahr 2005 wird es sicher eine Reihe besonderer musikalischer Veranstaltungen geben, unterstützt von einer dann hoffentlich gut gewarteten Orgel. 2005 wird aber auch das Jahr der Fusion mit der Nachbarpfarrei St. Alfons sein. Ich denke, dass gerade die Musik einen entscheidenden Beitrag leisten kann bei diesem Schritt, der sicher nicht einfach ist und liebgewordene Traditionen in Frage stellt. Ich freue mich daher sehr darüber, dass unser Chor von Pfarrer Brandenburg bereits zur Gestaltung des Hochamtes am 6. Januar eingeladen wurde und dort mit offenen Herzen und Ohren empfangen wurde. Weitere Gestaltungen des Gottesdienstes in St. Alfons werden folgen und so hoffentlich einen kleinen Beitrag zum Zusammenwachsen der Gemeinden leisten können. Zum Abschluss noch eine kurze persönliche Bemerkung! Seit nunmehr einem Jahr versehe ich nach dem Weggang von Frau Leininger den Organistendienst und leite den Chor. Da Musik meine große Passion ist, macht mir diese "Arbeit" trotz der Belastung neben meinem eigentlichen Beruf viel Spaß und Freude. Dies umso mehr, als ich in dieser Zeit aus der Gemeinde sehr viele positive Rückmeldungen bekommen habe. Ich freue mich darüber sehr, da es mein Anliegen ist, auf der Orgelempore nicht über allen Köpfen zu schweben, sondern die Musik soll ja die Herzen erreichen, um so eine Bereicherung im Gottesdienst sein zu können. "Von Herzen soll es zu Herzen gehen" – auch dieses Zitat stammt von Beethoven und schließt so den Bogen zum Beginn dieses Artikels. Es ist z.B. eine wunderbare Erfahrung, wenn sich Organist und Gemeinde beim Gesang der Gemeindelieder gegenseitig zu inspirieren vermögen, passend zur Präfation zum Hochgebet: "Erhebet die Herzen!" Sollten Sie diesbezüglich einmal Wünsche haben und es liegt in meiner Kraft und meinen Fähigkeiten, diese zu erfüllen, lassen Sie es mich bitte wissen. Gerhard Jas
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