Der historisch bedeutsame Blitz, der den verängstigten jungen Martin Luther zu seiner Lebensfrage führte „Wie kann ich das Heil erlangen?", von der aus sich die Reformation entwickelte, hat einen Vorläufer. Dieser fuhr im Jahr 1115 so knapp an einem jungen Mann vorbei, dass dieser nach einem Moment der schockhaften Betäubung beschloss, sein Leben völlig zu ändern.
Norbert hieß er und hatte bis dahin ein „schlaues" Leben geführt. Er stammte aus altem Adel in Gennep, einer Stadt an der heutigen deutsch-niederländischen Grenze. Seine wohlhabenden Eltern wollten ihn versorgen und bestimmten ihn deshalb für den geistlichen Stand. Als Subdiakon des Erzbischofs von Köln wirkte er in Xanten, jedoch war sein geistlicher Rang so geartet, dass er mit üppigen Einkünften ein sehr weltliches Leben führen konnte. Als Gefolgsmann des Kaisers Heinrich V. zog er mit nach Rom zur Krönung, lehnte aber den ihm vom Kaiser angebotenen Bischofsstuhl von Cambrai ab mit dem Hinweis, er sei schon reich genug.
Nach dem Blitzerlebnis gab Norbert seine Stellungen beim Erzbischof und beim Kaiser auf, verschenkte sein Vermögen an die Armen, ließ sich zum Priester weihen und ging nach Siegburg in ein Kloster. Bald darauf zog er, dem Beispiel des Herrn folgend, als Wanderprediger durch die Lande, hauptsächlich durch Nordfrankreich, Belgien und das Rheinland. Er beeindruckte seine Zuhörer durch seine Redegewandtheit und seine Überzeugungskraft, die auf der völligen Übereinstimmung seiner Worte und Taten beruhte. So lief er im Sommer wie im Winter barfuß im Büßergewand einher. Seine Bemühungen zielten stets darauf ab, die Menschen vom irdischen Getriebe zu befreien und ihr Leben unter die christlichen Ideale der Armut und der Nächstenliebe zu stellen. 1118 ließ er sich in Südfrankreich vom Papst persönlich den Auftrag zur Mission erteilen. Ein Bischof rief ihn um Hilfe nach Antwerpen, wo er wortgewaltig eine Schwärmerbewegung bekämpfte, was ihm den Beinamen „Apostel des hl. Altarsakraments" eintrug. Der Bischof von Laon in Nordfrankreich wollte ihn als Reformer in seine Dienste nehmen, doch war er dem Domkapitel in seinen Ansprüchen zu streng. So nahm er das Angebot des Bischofs an, ein Kloster mit Gleichgesinnten zu gründen. In einem Traum zeigte Maria ihm eine verlassene Wiese, „pratum demonstratum" (lat. = die gezeigte Wiese), wovon der Ort den französischen Namen Prémontré erhielt. Dorthin in ein entlegenes Tal bei Laon zog Norbert mit dreizehn Gefährten, gründete 1121 eine Gemeinschaft, aus der 1126 der Orden der „Prämonstratenser" wurde, auch „Norbertiner" genannt, denen Norbert die Regel des hl. Augustinus gab.
Doch sein zurückgezogenes Mönchsleben währte nicht lange. Auf Grund seiner Bedeutung und Fähigkeiten ernannte ihn der Kaiser 1128 zum Erzbischof von Magdeburg. Von der Bevölkerung freudig begrüßt, zog er ärmlich gekleidet und barfuß in die Stadt ein, sodass ein Kirchendiener ihn für einen unwürdigen Fremden hielt und ihm den Eintritt in das erzbischöfliche Palais verwehren wollte. Mit Beharrlichkeit setzte er seine Ideale in seinem Bistum um, auch gegen den Widerstand der hohen Geistlichkeit, die einen gefährlichen Aufstand gegen ihn anzettelte. Er gründete im Stift „Unser Lieben Frauen" ein Kloster, von dem aus Tochtergründungen vor allem für die Slawenmission erfolgten.
Trotz seiner intensiven geistlichen Tätigkeit wurde er auch als politischer Ratgeber benötigt. Als Kanzler des Reiches für Italien zog er mit Kaiser Lothar III. wieder nach Rom, wo er sich jedoch mit Malaria infizierte. Am 6. Juni 1134 erlag er in Magdeburg dieser Krankheit. Aus seinem bewegten und erfüllten Leben hatte er eine entscheidende Erkenntnis gewonnen:
„Ich war am Hofe, ich lebte im Kloster, ich stand in hohen Ehrenämtern der Kirche und habe überall gelernt, dass es nichts Besseres gibt als sich Gott ganz hinzugeben."
Er wurde in seiner Magdeburger Ordenskirche beigesetzt, die heute noch - als Konzerthalle und Museum - gut erhalten ist. Seine Gebeine wurden jedoch in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges in die Prämonstratenserabtei Strahov bei Prag überführt, wo sie heute noch ruhen. An seinem Werdegang lässt sich ablesen, was auch für Johannes Nepomuk gilt: Er ist ein wahrer Europäer. In den Niederlanden geboren, wird er Gefolgsmann des deutschen Kaisers, gründet in Frankreich einen Orden, missioniert von Magdeburg aus die Slawen und ruht in tschechischer Erde.
Norbert wurde 1582 heilig gesprochen. Dargestellt wird er in der weißen Tracht seines Ordens, als Abt oder Bischof, die häufigsten Attribute sind Monstranz, Friedenspalme oder Kreuz. Das Patronat für Böhmen und Prag teilt er sich mit Johannes Nepomuk, das für Magdeburg kommt ihm alleine zu.
Das Wirken des Heiligen setzt sich bis heute in seinem Orden fort. Von Prémontré aus, wo heute nur noch kümmerliche Mauerreste vom Mutterkloster zeugen, breitete sich dieser innerhalb von hundert Jahren über ganz Europa aus. Das Kloster in Magdeburg wurde schon zu Lebzeiten Norberts der Ausgangspunkt für die Missionierung der Wenden und Slawen und hatte somit einen wichtigen Anteil an der Christianisierung und Kolonisierung unserer Region. Von Magdeburg aus wurden mehrere Klöster gegründet, z.B. in Brandenburg, Gramzow und Leitzkau. Am Bischofssitz von Havelberg bestimmten die Prämonstratenser bis 1506 die Geschicke. In Jerichow bei Tangermünde an der Elbe, gut hundert Kilometer von Berlin entfernt, ist heute noch die romanische Klosterkirche in ihrer strengen Schönheit zu bewundern. Ein kleines Museum gibt Auskunft über die Geschichte des Ordens und des Klosters – sehr sehenswert!
Eine große Zahl der deutschen Klöster wurde im Zuge der Reformation aufgelöst, fast alle übrig gebliebenen fielen vor 200 Jahren der Säkularisation zum Opfer. In seiner Blütezeit hatte der Orden in Europa über 1000 Abteien, denen häufig Frauenklöster zugeordnet waren. 1921 kehrte der Orden nach Deutschland zurück, wo er heute noch in Hamborn (Duisburg), Roggenburg (Schwaben) und Windberg (Bayrischer Wald) Klöster unterhält.
Ein Konvent mit drei Brüdern ist seit 1991, nur wenige hundert Meter vom Dom entfernt, wieder im alten Kloster in Magdeburg tätig, vornehmlich in der Pfarrarbeit. Ihr „Café im Kloster Unser Lieben Frauen" und eine Klosterschulbibliothek laden zum Verweilen ein.
Die Prämonstratenser (OPraem.) wirken heute vor allem in der Caritas und in der Mission, als Prediger und Seelsorger. Ihr von Norbert herkommender Leitspruch lautet: „Ad omne bonum opus parati" gemäß dem 2.Timotheusbrief 3,7, wonach der Mensch „zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet" ist.
Als gute Katholiken feiern sie gerne, sogar anlässlich des zweihundertsten Jahrestages der Auflösung vieler Klöster im Jahr 2004. 59 Gedenkveranstaltungen sind auf der Homepage des Ordens aufgeführt.
J. Schweier
Der Heilige des Monats |