In den Zeiten, da in unserem Erzbistum die Kirchenmusik stark in Mitleidenschaft gezogen wird, darf man sich getrost ihrer Patronin zuwenden, der hl. Cäcilia.
"Die Legende ihres Martyriums gehört zu den verbreitetsten im Abendland, gleichwohl ist kaum ein anderer Fall in der Hagiographie so problematisch." (Lexikon für Theologie und Kirche – Herder) Die ersten Berichte über ihr Leben, das um das Jahr 200 begonnen haben soll, entstammen einer Heiligenvita, die erst um 500 verfaßt wurde. Vor dieser Zeit findet sich keine Spur der Verehrung. Diese muß jedoch bald danach eingesetzt haben, denn bereits im Jahr 545 wird das Fest der Heiligen in der ihr geweihten Kirche im römischen Stadtteil Trastevere nachgewiesen. Ihr ältestes Bild zeigt sie in den Mosaiken der Kirche S. Apollinare Nuovo in Ravenna im Kreis von jungfräulichen Märtyrerinnen (um 570).
Wer war sie – besser gesagt, wer soll sie der Legende nach gewesen sein?
Sie wurde in Rom geboren und entstammte dem alten Adelsgeschlecht der Cäcilier. In ihrer Zeit waren schon mehrere Wellen der Verfolgung über die junge Kirche hinweggegangen. Cäcilia bekannte sich schon als Kind zum Christentum und wollte für Christus unverheiratet bleiben. Ihre Eltern bestimmten jedoch das hübsche Mädchen dem heidnischen Jüngling Valerius zur Frau. In der Hochzeitsnacht eröffnete sie ihm ihr Geheimnis, daß sie Christus ewige Keuschheit geschworen habe, und bewegte ihn dazu, das Gelöbnis zu respektieren und sich selbst taufen zu lassen. Er wurde durch Cäcilia ein so eifriger Christ, daß er seinen Bruder Tiburtius auch bekehrte. Diese drei scheuten sich nicht, christliche Märtyrer zu begraben und zu verehren, weshalb sie dem Präfekten Almachius auffielen, der die beiden Männer enthaupten ließ, weil sie auch noch ihren Wächter im Kerker bekehrt hatten. Cäcilia ließ er in ihrem eigenen Haus ins Dampfbad setzen, um sie zu verbrühen. Sie ging jedoch aus dieser Prüfung unversehrt hervor, worauf der Präfekt wutentbrannt ebenfalls die Hinrichtung mit dem Schwert befahl. Drei Hiebe verletzten die Heilige schwer, töteten sie jedoch nicht. Sie verschied unter großen Schmerzen erst nach drei Tagen, nachdem sie ihr ganzes Hab und Gut an die Armen verteilt hatte. Dies soll am 22. November 230 geschehen sein.
Erst ihr Leichnam verläßt die Aura der Legende. Papst Urban I. ließ die Märtyrerin in der Calixtus-Katakombe an der Via Appia bestatten und weihte ihr Haus in Trastevere zur Kirche Sancta Cäcilia. Als im Jahre 822 ihre Gebeine wiederaufgefunden wurden, ließ Papst Paschalis sie in diese Kirche übertragen. Im Jahr 1599 wurde bei Umbauarbeiten ihr Sarkophag geöffnet, und nun wird es wieder legendenhaft. Ihr Körper soll unverwest in einer ungewöhnlichen Haltung vorgefunden worden sein: wie schlafend auf der Seite liegend, mit dem Gesicht zur Erde, so daß man die Halswunden sehen konnte, die Hände und Finger ausgestreckt. Papst Clemens VIII. ließ aus Gründen der Pietät ihren Leichnam nicht untersuchen, sondern in einer Seitenkapelle aufbahren und nach einem Monat endgültig beisetzen, nachdem der Künstler Stefano Maderna den ergreifenden Anblick des Leichnams in seiner berühmten Marmorstatue festgehalten hatte. Unter ihr liegen heute in der Krypta von S. Cecilia die Reliquien der Heiligen, von Valerius und Tiburtius sowie der Päpste Lucius I. und Urban I.
Damals konnte somit auch nicht Cäcilias Todesursache geklärt werden. Ihre legendäre "Halsstarrigkeit", wie sie in der Statue zum Ausdruck kommt, mag einen realen Grund gehabt haben. Nach einem uralten und lange noch gepflegten Brauch mußte eine Enthauptung nach dem dritten Streich beendet werden, unabhängig vom Zustand des Todeskandidaten.
In der Kirche S. Cecilia werden auch noch die Reste des Dampfbads gezeigt, in dem die Heilige umkommen sollte.
Zu ihrem Patronat über die Kirchenmusik kam Cäcilia bereits im Mittelalter – durch einen simplen Übersetzungsfehler. Im lateinischen Urtext war von klingenden Orgeln während ihrer Hochzeit die Rede. Ein Übersetzer ließ Cäcilia selbst singen, und nun beschützt sie seitdem treu die Orgelbauer, Organisten, Instrumentenbauer, Musiker, Sänger und Dichter. Ihre Attribute sind vornehmlich Orgel oder Geige, aber auch die Märtyrerpalme oder das Schwert.
Es ist höchst erfreulich und zudem urkatholisch, dass 1800 Jahre nach ihrem Tod ihr auch in unserer Gemeinde eine Ehrung zuteil wird. Auf Anregung und unter der Leitung von Herrn Dr. Jas wird in unserer Gemeinde im Dezember ein Cäcilienfest gefeiert. Nur so viel soll verraten werden: Auch völlig Unmusikalische kommen auf ihre Kosten, der hl. Cäcilia sei Dank!
J. Schweier