BÜCHERKISTEE.T.A. Hoffmann: ”Das Fräulein von Scuderi” Diesen Monat habe ich die knapp hundertseitige Erzählung ”Das Fräulein von Scuderi” von E.T.A. Hoffmann gelesen. Die Ereignisse spielen sich im Paris des späten 17. Jahrhunderts ab, Hauptfigur und diejenige Person, bei der alle Fäden und Mitprotagonisten der Geschichte zusammenlaufen, ist eine ältere Dame, das Fräulein von Scuderi, eine äußerst empfindsame, sehr weise Frau. Paris wird heimgesucht von einer schrecklichen Verbrecherbande, die meist bei Nacht Menschen überfällt, ermordet und ausraubt. Dabei geht es um den kostbarsten Schmuck, den diese mit sich tragen. Die Verbrecher scheinen unsichtbar zu sein, denn sie sind stets nach der Tat wie vom Erdboden verschluckt und von der Polizei nicht aufspürbar. Eines Nachts erscheint am Hause des Fräuleins von Scuderi ein Mann, der Schmuck und einen kleinen Zettel für sie hinterlässt und offenbar mit der gefährlichen Bande in Verbindung steht. Dann beginnen die Ereignisse sich zu überschlagen. Was hat der Goldschmied Cardillac, den man eines Tages ermordet auffindet, mit der ganzen Angelegenheit zu tun? Ist der Verdacht, dass sein Schwiegersohn in spe und Angestellter, Olivier Brusson, ihn ermordet hat, richtig? Welche furchtbaren Geheimnisse trägt dieser mit sich herum und warum darf seine Geliebte, Madelon, davon nichts erfahren? Das Fräulein von Scuderi bringt die Wahrheit nach und nach ans Licht. Wird sie es schaffen, das Liebespaar vor der Vollstreckung des Todesurteils zu retten? Diese altmodische Kriminalgeschichte ist äußerst kurzweilig und spannend, sehr klug inszeniert und bis zum Ende unterhaltsam. Die Sprache versetzt einen in eine Welt, die älter ist als unsere, in der aber genauso Werte wie Liebe und Wahrheit zählen und in der ebenso nicht immer alles gerecht zugeht. Diese Erzählung kann ich für einen gemütlichen Nachmittag oder statt des Krimis am Abend im Fernsehen wirklich empfehlen! Viel Spaß beim Lesen, gute Unterhaltung und wie immer eine kleine Leseprobe, Cosima Kießling ”In der Straße St. Honoré war das kleine Haus gelegen, welches Magdaleine von Scuderi, bekannt durch ihre anmutigen Verse, durch die Gunst Ludwig XIV. und der Maintenon, bewohnte. Spät um Mitternacht - es mochte im Herbste des Jahres 1680 sein- wurde an dieses Haus hart und heftig angeschlagen, dass es im ganzen Flur laut widerhallte. - Baptiste, der in des Fräuleins kleinem Haushalt Koch, Bedienten und Türsteher zugleich vorstellte, war mit Erlaubnis seiner Herrschaft über Land gegangen zur Hochzeit seiner Schwester, und so kam es, daß die Martiniere, des Fräuleins Kammerfrau, allein im Hause noch wachte. Sie hörte die wiederholten Schläge, es fiel ihr ein, daß Baptiste fortgegangen, und sie mit dem Fräulein ohne weiteren Schutz im Hause geblieben sei; aller Frevel von Einbruch, Diebstahl und Mord, wie er jemals in Paris verübt worden, kam ihr in den Sinn, es wurde ihr gewiß, daß irgendein Haufen Meuterer, von der Einsamkeit des Hauses unterrichtet da draußen tobe und, eingelassen, ein böses Vorhaben gegen die Herrschaft ausführen wolle, und so blieb sie in ihrem Zimmer, zitternd und zagend und den Baptiste verwünschend samt seiner Schwester Hochzeit. Unterdessen donnerten die Schläge immer fort, und es war ihr, als rufe eine Stimme dazwischen: ”So macht doch nur auf um Christus willen, so macht doch nur auf!” Endlich in steigender Angst ergriff die Martiniere schnell den Leuchter mit der brennenden Kerze und rannte hinaus auf den Flur; da vernahm sie ganz deutlich die Stimme des Anpochenden: ”Um Christus willen, so macht doch nur auf!” In der Tat, dachte die Martiniere, so spricht doch wohl kein Räuber; wer weiß, ob nicht gar ein Verfolgter Zuflucht sucht bei meiner Herrschaft, die ja geneigt ist zu jeder Wohltat. Aber laßt uns vorsichtig sein! - Sie öffnete ein Fenster und rief hinab, wer denn da unten in später Nacht so an der Haustür tobe und alles aus dem Schlaf wecke, indem sie ihrer tiefen Stimme so viel Männliches zu geben sich bemühte, als nur möglich. In dem Schimmer der Mondesstrahlen, die eben durch die finstern Wolken brachen, gewahrte sie eine lange, in einen hellgrauen Mantel gewickelte Gestalt, die den breiten Hut tief in die Augen gedrückt hatte. Sie rief nun mit lauter Stimme, so, daß es der unten vernehmen konnte: ”Baptiste, Claude, Pierre, steht auf und seht einmal zu, welcher Taugenichts uns das Haus einschlagen will!” Da sprach es aber mit sanfter, beinahe klagender Stimme von unten herauf: ”Ach! la Martiniere, ich weiß ja, dass Ihr es seid, liebe Frau, so sehr Ihr Eure Stimme zu verstellen trachtet, ich weiß ja, dass Baptiste über Land gegangen ist und Ihr mit Eurer Herrschaft allein im Hause seid. Macht mir nur getrost auf, befürchtet nichts. Ich muß durchaus mit Eurem Fräulein sprechen, noch in dieser Minute.” (Hoffmann, E.T.A.: Das Fräulein von Scuderi. Aus: Deutsche Erzählungen. Von Goethe bis Eichendorff. Hg. v. Helmut Winter. Piper Verlag GmbH, München 2002. S. 197-293. Zitat S. 197-199).
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