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Der Heilige des Monats:

hl. Johannes Nepomuk Neumann

(5. Januar)

 

Geschätzte Leserinnen und Leser! Diesmal kein brutaler römischer Statthalter, kein heidnischer Bräutigam und keine Legende einer unerklärlichen Rettung vor dem Tode – diesmal etwas ganz Neues:

Die USA in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Unser landläufiges, von den Medien geprägtes Bild zeigt die Eroberung des Wilden Westens, blutige Kämpfe mit Indianern, rauhe Eisenbahnpioniere, hart arbeitende Aufsteiger, die den Grundstock zu sagenhaften Dollarvermögen legen, z.B. die Rockefellers.

Wo ist hier der Platz für den Heiligen des Monats?

Natürlich ist das eben gezeichnete Bild einfältig einseitig und unvollständig. In den USA vollzog sich damals die Industrialisierung unter vergleichbaren Begleitumständen wie in Europa: stürmisch wachsende Städte mit ausgedehnten Armuts- und Elendsvierteln, entwurzelte Massen wie verarmte Landarbeiter oder existenzsuchende Einwanderer, aufstrebende soziale Schichten und findige Unternehmerpersönlichkeiten. Die Sklaverei in den Südstaaten als besonderes amerikanisches Problem heizte dieses brodelnde Gemisch von sozialen Spannungen noch weiter an.

Dem steht ein völlig anderes Bild gegenüber: eine mittelalterlich geprägte Kleinstadt – das böhmische Prachatitz – inmitten der bewaldeten Höhen des Böhmerwaldes, ein schlichtes, aber gepflegtes Bürgerhaus und eine kinderreiche katholische Familie in der K.u.K.-Monarchie. In diese beschauliche Welt hinein wurde Johannes Nepomuk Neumann am 28. März 1811 als Kind einer tschechischen Mutter und eines deutschen Vaters geboren.

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Budweis trat er dort 1831 in das Priesterseminar ein und wechselte zum Studium nach Prag, wo er in der “aufgeklärten” Atmosphäre der Universität seinen klaren Glaubensstandpunkt gegen zahlreiche Angriffe verteidigen mußte.

Er sprach damals bereits acht Sprachen und interessierte sich auch für Botanik, Mathematik, Philosophie, Astronomie und die Entwicklung in Amerika. Wegen der großen Anzahl der Kandidaten in der Diözese Budweis mußte seine Aufnahme in den Weihekurs aufgeschoben werden. Dies schmerzte ihn so sehr, daß er beschloß, nach Amerika zu gehen.

Um seinen Eltern den Abschiedsschmerz zu ersparen, ging er grußlos weg, schrieb ihnen aber von unterwegs: “Ich bin überzeugt, daß es der Ruf Gottes ist, mich dem Heil der Verlassenen und Unwissenden zu opfern, so schwer es mir ankam.” Er war jedoch von Zweifeln hin- und hergerissen, zumal er nicht wußte, ob ihn ein Bischof in der Neuen Welt in seine Diözese aufnehmen würde. Er schrieb in sein Tagebuch: “Meine Niedergeschlagenheit war heute besonders groß. Meine dem Zerfallen nahen Stiefel, das üble Wetter. Die Wasser der Trübsal steigen hoch, und meine Füße haben keinen Grund. Gott, ich versinke! Herr, hilf mir, sonst gehe ich zugrunde!”

Am 1. Juni 1836 betrat er amerikanischen Boden und wurde sogleich vom New Yorker Bischof zum Priester geweiht. Drei Tage später begab er sich in ein Gebiet bei den Niagara-Fällen, um sich dort in der Seelsorge deutscher, irischer und französischer Einwanderer zu engagieren. Er vollendete einen Kirchenbau und gründete eine katholische Schule in dem sicheren Gespür, daß Bildung und Erziehung die besten Voraussetzungen für die Sicherung der Existenz darstellen. Zudem war er überzeugt, dass die religiöse Unterweisung in der Schule den Nährboden für den Glauben aufbereitet.

Von der unermüdlichen Arbeit ausgelaugt und von der Malaria geschüttelt, brach er 1840 körperlich zusammen. Ein guter Ratgeber aus dem Orden der Redemptoristen riet ihm von seinem Einzelkämpferdasein ab und bewegte ihn zum Eintritt in seinen Orden. (Nach dessen Gründer Alfons de Liguori ist übrigens die Kath. Schule St. Alfons benannt.)

Bereits nach vier Jahren wurde er wegen seines Eifers und seiner Geistesgaben Rektor des Pittsburgher Klosters, zwei Jahre später Oberer aller amerikanischen Niederlassungen und wieder zwei Jahre später zum Vizeprovinzial in Nordamerika. Neben seinen Amtsgeschäften widmete er sich immer wieder der Seelsorge. Nebenbei betätigte er sich als Schriftsteller: Ein kleiner Katechismus (in 38 Auflagen!), ein großer Katechismus sowie eine “Biblische Geschichte” entstammen seiner Feder.

Völlig überraschend ernannte Papst Pius IX. 1852 den Einundvierzigjährigen zum Bischof von Philadelphia, einer der bedeutendsten Diözesen in den USA, mit dem Hinweis, er möge jede Reklamation diesbezüglich unterlassen. Was blieb ihm also übrig? Trotz seiner Überzeugung “Ich möchte lieber sterben als Bischof werden!” widmete er sich mit aller Kraft der neuen Aufgabe. Am liebsten allerdings hielt er sich wie bisher an die einfachen und armen Leute, aß mit ihnen Suppe, spülte das Geschirr ab und verteilte Geschenke aller Art.

In steter Sorge um seine Schutzbefohlenen entwickelte er in visionärer Weise ein Schulprogramm, das heute noch ein prägendes Merkmal des amerikanischen Katholizismus darstellt. Jede Gemeinde sollte ihre eigene Schule haben! Annähernd hundert (!) katholische Schulen gründete der kleine (158 cm), aber energische Mann, der Bau von ca. achtzig Kirchen und Kapellen geht auf seine Initiative zurück. Daneben blieb er unermüdlich in der Seelsorge tätig. Kein Priester seiner Diözese, so sagt eine Biographie, habe mehr Zeit im Beichtstuhl verbracht als er.

Nur einmal, 1855, zog es ihn in seine alte Heimat zurück, wo er Freudenfeste der Bevölkerung auslöste, obwohl er seinen Besuch geheim halten wollte.

Nach nur acht Jahren im Bischofsamt war er körperlich völlig ausgelaugt und brach am 5. Januar 1860 auf der Straße in Philadelphia tot zusammen. Er wurde in dieser Stadt in der Klosterkirche St. Peter bestattet.

1886 wurde der Seligsprechungsprozeß eingeleitet, den Papst Paul VI. 1977 mit der Heiligsprechung abschloß. Achtzig Bischöfe aus den USA nahmen an den Feierlichkeiten für den ersten Heiligen Nordamerikas teil.

Obwohl er ein Mann der Tat war, wußte er um die Begrenztheit des menschlichen Tuns und um die Größe der göttlichen Macht:

“Die Welt wird mehr durch das Gebet bekehrt als durch alle anderen Mühen.”

J. Schweier

 

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