Das Diözesane Pastoralforum
(II)
Ein weiterer
Zwischenbericht
Am Wochenende vom 16.
– 18. Juni fand das Diözesane Pastoralforum
einen vorläufigen Abschluss. Wie schon in unserem
Monatsbrief von Januar 2000 geschildert, wurden auf der
3. Vollversammlung zum "Zeichen des Aufbruchs und der
Erneuerung ... im Erzbistum Berlin" eine Fülle von
Ideen, Anregungen und Vorschlägen zur Bereicherung
und Verbesserung des kirchlichen Lebens beschlossen.
Die Vorlagen von 14 Arbeitsgruppen verdichteten sich
durch die Arbeit von 345 Delegierten zu einem Werk von
180 dicht bedruckten Seiten mit über 10.000
Zeilen.
Gemäß dem
Status des Pastoralforums haben die Vorlagen keine
Bindungskraft, sondern gelten als "Empfehlungen"
– insgesamt sind es 512! – an unseren
Erzbischof. In seinem Ermessen allein liegt
begründet, welche Vorschläge er in die
pastorale Praxis unseres Erzbistums umsetzt. Sicherlich
hat unser Kardinal schon deutlich hervorgehoben, dass
er die Beschlüsse sehr ernst nimmt und es nicht
nur den Gemeinden überlassen will, wie seine aus
den Empfehlungen erwachsenen Weisungen verwirklicht
werden. Ein eigener Pastoralrat wird dabei dem
Erzbischof zur Seite stehen.
Diese Vorgaben sind
Grund genug, bereits jetzt einen Blick auf die
Beschlusslage zu werfen, freilich – und das sei
nochmals betont – bevor unser Kardinal die
Auswahl seiner Schwerpunkte getroffen hat.
Aufgrund der
Bedeutung für die Gemeinde werden hier
zunächst Auszüge aus dem Text der
Arbeitsgruppe "Kirche vor Ort" abgedruckt. Sicherlich
werden andere Themen im Laufe des Umsetzungsprozesses
in unserem Monatsblatt noch vorgestellt werden.
Anregungen Ihrerseits dazu sind der Redaktion herzlich
willkommen! Die Auszüge folgen den für alle
Beschlüsse gültigen Kategorien Sehen –
Urteilen – Handeln.
SEHEN
-
Situation der
Gemeinde unter ihrem Anspruch und im gegenwärtigen
Erfahrungshorizont.
- Die jüngeren Generationen,
das Lebensalter ab Jugend bis ca. 45 Jahre sind je
jünger immer weniger von einem kirchlichen
Milieu geformt. Sie identifizieren sich kaum noch mit
der Kirche als weltumspannende römisch
katholische Kirche. Ihr Ort ist mehr die
Pfarrgemeinde, der man sich zugehörig
fühlt, wo man Erfahrungen mit anderen macht und
eine eigene Gemeindeidentität
findet.
- Kirche ist für die
jüngeren Generationen in ihren vielen
verschiedenen Lebensbereichen (Familie, Arbeit,
Sport, Freizeit, Partei, Kirche) nur ein Bereich
unter anderen und nicht etwas, das umfassend das
Leben prägt.
- Viele ursprünglich christlich
sozialisierte Menschen leben nicht mit der Gemeinde.
Sie nehmen aber an den Lebenswenden (Taufe,
Eheschließung, Beerdigung ... ) und Lebenskrisen
Dienste der Kirche selbstverständlich in
Anspruch.
- Um uns leben heute mehrheitlich
Menschen, die keine christliche Lebenstraditionen
haben, oft aber Suchende sind.
- Um uns leben viele Christen und
Christinnen die aus anderen Orten und Regionen, aber
auch aus anderen Ländern, Sprachen und Kulturen
zu uns gekommen sind, und in unseren Gemeinden eine
Heimat finden wollen.
- Die Menschen haben in unserer
Gesellschaft ihre Freiheit zu nutzen gelernt. Sie
sind individualistischer und auch mobiler geworden.
Sie bestimmen immer mehr selbst, was sie glauben
wollen und lassen sich dies auch nicht aus der Hand
nehmen. Die Glaubenswege und -zugänge sind
dadurch oft sehr verschieden.
URTEILEN
-
Der Christ ist nicht
mehr Objekt, sondern Subjekt der Seelsorge
- Die Menschen in der
gegenwärtigen und zukünftigen Kirche wollen
nicht mehr Objekt der Seelsorge sein, sondern mit
ihrer persönlichen Kompetenz das Leben der
Gemeinden mitgestalten als mitverantwortliche
Subjekte dieses Tuns: Von der versorgten zur
mitsorgenden Gemeinde.
- Dem Mittun in der Gemeinde sieht
man sich vom Ansatz her (wegen der
Individualität) nicht mehr für alle Zeit
verpflichtet, sondern zeitlich limitiert, wie es in
die Lebenssituation des/der Einzelnen und der Familie
passt. Auch die Kirche unserer Zeit lebt in einer
Auswahl- und Erlebnisgesellschaft. Der/die Einzelne/
die einzelne Familie wählt sich die Gemeinde
aus, in der die persönliche Sicht des
Glaubensweges gelebt werden kann.
- Es muss verschiedene
Möglichkeiten zur Zusammenlegung bzw.
Kooperation von Gemeinden geben.
- Es bedarf der Aufwertung des
Ehrenamtes.
- Die Priester und andere
Seelsorgerinnen und Seelsorger müssen für
ihren ureigenen Dienst entlastet werden.
- Die Kirche braucht den Erhalt von
sozialverträglichen Arbeitsstellen.
- Die Kirche braucht eine
Veränderung des Priesterbildes. (s. Priester als
Leiter der Gemeinde)
- Die Gemeindegremien sollen an der
Gemeindeleitung beteiligt werden.
HANDELN
- Die Zeichen der Zeit erkennen (Papst
Joh. XXIII) und danach handeln –
Als pastorale
Aufträge
- Die Gemeinde öffnet sich auch
ungetauften Menschen und entwickelt Formen für
Suchende.
- Besonders ist dabei gedacht an
Hilfen in Situationen von Lebenswenden, wie das
Erwachsenwerden von Jugendlichen. Nicht gleich in
christlicher Form sollen diese Lebenshilfen sein,
aber gestaltet aus christlichem Geist (siehe auch
Thema Jugendpastoral).
- Ganz wichtig ist die Vermittlung
von Glaubenswissen, wobei dies geschehen muss im
persönlichen Glaubenszeugnis des/der
Vermittlers/in.
- Die Gemeinde vermittelt eine
Atmosphäre, in der sie von Hilfesuchenden als
Ort erkannt werden kann, wo Gehör und Hilfe zu
finden sind. Zu diesen Suchenden gehören
besonders auch die oft Ausgegrenzten und
Unverstandenen.
- Es ist Aufgabe der Gemeinde nach
ihren Möglichkeiten Kirchenräume
außerhalb ihrer Gottesdienstzeiten
zugänglich zu machen (z.B. Stille erleben,
Gebet...)
- Als Zeugen der Geschichte sollen
sich Kirchen z.B. an Tagen der Kulturdenkmäler
beteiligen.
- Über die Pfarrbriefe hinaus
sollen Gemeinden eine intensive Kommunikation mit der
Öffentlichkeit entsprechend den örtlichen
Erfordernissen und Möglichkeiten
anstreben.
- Gemeinden müssen sich
beteiligen, wenn in der kommunalen
Öffentlichkeit Überlegungen zur
Zukunftsgestaltung diskutiert werden. In
ökumenischer Zusammenarbeit sind Kirchen und
Gemeinden aufgefordert, sich diesem kommunalen
Prozess zu öffnen, ihn zu begleiten und
konstruktiv die Perspektiven des Glaubens in die
Gestaltung der Gesellschaft einzubringen.
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