Thomas Steierhoffer

Nr. 24/00 vom 11. Juni 2000
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Hoffentlich wird nicht nur
Papier bedruckt

Wie über das Diözesane Pastoralforum in der Region Vorpommern diskutiert oder nicht diskutiert wird

Vorpommern - „Hoffentlich wird nicht nur viel Papier produziert, das mit dem Leben in den Gemeinden Vorpommerns wenig zu tun hat.“ Gudrun Schemmel aus der Propstei St. Joseph in Greifswald ist eher skeptisch, wenn die Rede ist vom Diözesanen Pastoralforum und seiner Ausstrahlung hinein in die Region Vorpommern. Mit Richard Stabenow - ebenfalls aus Greifswald - steht sie auf dem Grundstück der Gützkower Gemeinde St. Marien. Beide diskutieren am Rande des 90. Kirchweihjubiläums über das Forum und die zu erwartenden Wirkungen auf das katholische Leben in den beiden Norddekananten Stralsund und Greifswald. Richard Stabenow, selbst Greifswalder Delegierter des Pastoralforums, kennt neben dem Dekanat Greifswald auch das Dekanat Stralsund. „Wenn auf dem Forum in Berlin über ein zusammengelegtes Dekanat Vorpommern diskutiert wird, habe ich meine Bedenken“, stellt er fest. Schon heute gebe es in Vorpommern sogenannte „Schwerpunktpfarreien“, die nach seiner Erfahrung personell jedoch keineswegs ausreichend ausgestattet seien. „Im Zeitalter des permanenten Priestermangels muss es doch möglich sein, die wenigen Priester von Aufgaben zu befreien, die mit ihrem eigentlichen Auftrag nichts oder nur wenig zu tun haben.“ Richard Stabenow und Gudrun Schemmel werden sich schnell einig: „Zeitaufwendige Büroarbeit, Fahrdienste in den Gemeinden, Religionsunterricht, um nur drei Beispiele zu nennen, können durchaus von engagierten und qualifizierten Laien bewältigt werden.“ An Einsatzbereitschaft fehle es nach Meinung der beiden Greifswalder Katholiken in der Region keineswegs. Nur würden einsatzbereite Gemeindemitglieder in Vorpommern nicht selten die Erfahrung machen, dass der Ortspfarrer sich häufig als der „einzig kompetente Mensch“ in der Gemeinde empfinde und so Aufgaben an sich ziehe, von denen ihn seine „Schäfchen gerne entbunden“ gewusst hätten, um Kräfte für die eigentliche Seelsorge in der Diaspora frei zu setzen.
„Die Resonanz in der Gemeinde ist nicht so sehr groß, aber es gibt einige Gemeindemitglieder, die am Forum teilnehmen“, sagt Propst Michael Pietrus im Gespräch mit der KirchenZeitung. Neben dem Greifswalder Pastoralrefernten Stephan Zinnecker und dem Pfarrgemeinderatsmitglied Richard Stabenow nehme Propst Pietrus auch persönlich aktiv am Pastoralforum teil. „Wir schreiben über das aktuelle Geschehen schon mal in unserem Pfarrbrief, so dass wenigstens einige Informationen rüber kommen“, erklärt Pietrus. Der Geistliche bestätigt die bereits oben erwähnte Skepsis vieler Gemeindemitglieder, dass hoffentlich nicht so viel Papier produziert wird. „Ich persönlich hätte den Umfang ganz zu Anfang auch lieber eingegrenzt - die Ergebnisse jeder Arbeitsgruppe auf maximal acht Seiten reduziert.“ Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen seien seiner Meinung nach sehr unterschiedlich, so Propst Pietrus weiter, „doch das eine oder andere wird schon realisierbar sein“. „Mir liegt die Verkündigung an die junge Generation ganz konkret am Herzen. Die Arbeitsgruppen, die sich mit Kindern, Jugendlichen und Familie innerhalb der Kirche beschäftigt haben, werden wohl ganz konkrete Vorschläge unterbreiten, die dann auch in der seelsorgerischen Praxis in Vorpommern Anwendung finden könnten.“
Pfarrer Norbert Illmann aus der Gemeinde Herz Jesu in Wolgast sieht das Diözesane Pastoralforum eher mit gemischten Gefühlen. „In Berlin werden Strukturen vorausgesetzt, die hier in Vorpommern kaum oder gar nicht vorhanden sind“, stellt der Geistliche fest. Und er fügt hinzu: „Die Menschen in Wolgast haben nach meiner Einschätzung andere Probleme als das Pastoralforum.“
„Erstmal warten wir auf die Ergebnisse“, sagt Pfarrer Reinhold Janiszewski. Gerade zu Beginn des Forums hätten Mitglieder aus seiner Stralsunder Gemeinde Heilige Dreifaltigkeit zahlreiche Voten eingebracht. „Leider haben wir jetzt zunehmend das Gefühl, dass ausschließlich Berlin im Mittelpunkt des gesamten Prozesses steht.“ Viele hauptamtliche Mitarbeiter im Erzbischöflichen Ordinariat würden nach Janiszewskis Worten die Region Vorpommern überhaupt nicht wahrnehmen, geschweige denn aus eigenem Erleben kennen. Ein breites Interesse seiner Gemeinde am Pas-toralforum könne er nicht bestätigen. „Es ist hier in Stralsund keineswegs so, dass mir die Sonderausgaben der KirchenZeitung zum Pastoralforum aus den Händen gerissen werden“, bringt der Pfarrer die Situation auf den Punkt. Dennoch registriere er bei diesem oder jenem Stralsunder Gemeindemitglied „gedämpftes Interesse“.
Von „Null-Interesse“ in der Gemeinde Salvator spricht der Anklamer Pfarrer Norbert Grützmacher. „Ich nehme an, dass Sie bei Ihren Recherchen in Vorpommern von meinen Mitbrüdern ähnliche Einschätzungen hören“, sagt er. „In Anklam haben wir keinen, der für uns nach Berlin fährt. Auch haben wir in der Gemeinde noch gar nicht über das Forum gesprochen.“ Erstmal werde auch in der Lilienthalstadt die nächste Vollversammlung abgewartet. „Dann könnte es sein, dass wir beispielsweise im Pfarrgemeinderat darüber sprechen werden.“ Die in publizistischer Begleitung des Forums erstellten Pastoralforums-Beilagen der KirchenZeitung werden in Anklam ignoriert. „In unserer Kirche liegen Berge von Zeitungen herum, die keinen Menschen interessieren“, stellt Pfarrer Grützmacher fest. „Demnächst werde ich sie wegschmeißen.“ Nach seiner Erfahrung hätten die Menschen in Anklam „grundsätzlich andere Probleme“. Es könne sein, so Pfarrer Grützmacher weiter, dass das Desinteresse auch mit der „Sozialismus-Vergangenheit“ zusammenhänge. „Die Leute hatten damals nichts zu sagen, wollten nichts sagen und sagen auch heute nichts.“
Gedämpften Optimismus verbreitet Pfarrer Harry Karcz aus Bergen. „Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden wir uns auf der Insel Rügen damit auseinandersetzen“, sagt er. Derzeit spiele das Forum im Alltag der Gläubigen auf Deutschlands größter Insel jedoch eher eine untergeordnete Rolle. „Wir sind froh, dass der seelsorgliche Alltag bei uns funktioniert und haben in dieser Beziehung keinerlei Reformbedarf.“ Dies hänge neben der „pommerschen Mentalität“ auch mit anderen Praxiserfahrungen in der Region Vorpommern zusammen. „Wir haben keine katholischen Schulen, und auch der Kampf um LER tangiert uns hier wenig.“ Nach Abschluss des Diözesanen Pastoralforums werde sich zeigen, so Pfarrer Karcz weiter, welche Vorschläge in Vorpommern, zumal auf Rügen, tatsächlich Anwendung finden könnten. 

 

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