Neue Antike im Alten Museum
Vier Jahre lang sind alte römische Wandmalereien als Leihgaben in Berlin zu sehen 

Berlin - Die Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin eröffnet am Pfingstsonntag, den 31. Mai 1998, ihre neuartige Ausstellung im Hauptgeschoß des Alten Museums am Lustgarten. Pünktlich zur 300-Jahr-Feier präsentiert die Antikensammlung ein Zeichen der Verbundenheit mit dem Nationalen Thermenmuseum in Rom. Vier Jahren lang werden die soeben hervorragend restaurierten acht Fresken, die 1923 aus dem Palazzo Rospigliosi Pallavicini ins Thermenmuseum gekommen sind, im Alten Museum gezeigt. 
Die Fresken wurden vor rund 300 Jahren in Rom gefunden und haben in Fachkreisen bereits eine große Rolle in der Deutung  antiker Wandmalerei gespielt. Bei drei eher kleinen Bildfeldern handelt es sich um die Mittelszenen in einst größeren Wandfeldern. Außerdem werden drei Fresken von kleinen Eroten gezeigt, die auf den Ranken der Wandfelder turnen. „Ursprünglich hatten die Wände zu einem reich ausgestatteten frühkaiserlichen Haus am Abhang des Quirinal in Rom gehört, das bereits beim Bau der dortigen großen Badeanlagen unter Kaiser Konstantin im frühen 4. Jahrhundert nach Christus zugeschüttet worden ist“, informierte der Direktor der Antikensammlung, Professor Wolf-Dieter Heilmeyer.  Viel später, in den Jahren 1709 bis 1718, seien die antiken Ruinen bei einem Erweiterungsbau des Palazzo Rospigliosi wiederentdeckt worden. Professor Heilmeyer: „Man nahm die Bildfelder mit noch acht weiteren von den ruinierten Wänden ab, rahmte sie und fügte sie in die Kunstsammlung des Palazzo ein.“  Noch im 19. Jahrhundert wurden 16 derartige „antike Gemälde“ zur Sammlung Rospigliosi-Pallavicini gezählt. Außer den Bildfeldern und Erotenbildchen hätten sich immer schon zwei weitere, größere Bilder eines Kriegers und einer zarten jungen Frau darunter befunden. 1688 wurden sie beim Colosseum in einem großen Architekturprospekt gefunden, so Heilmeyer. Auch sie sind jetzt als Leihgaben in Berlin zu bewundern. 
Mit der Eröffnung der Antikensammlung zu Pfingsten findet das doppelte Exil der Berliner Antiken ein Ende. Seit ihrem Auszug aus dem Alten Museum während des Zweiten Weltkriegs und seit der Aufteilung auf Charlottenburg einerseits 
und den Nordflügel des Pergamonmuseums 1959/60 andererseits war ihre Bedeutung stark gemindert gewesen. „Die Weltgeltung der Berliner Antikensammlung neben den Museen von Istanbul, Athen, Rom, Paris, London und New York wird erst mit ihrem Wiedereinzug in ihr Stammhaus am hoffentlich auch bald wieder grünen Lustgarten sichtbar“, stellt Professor Heilmeyer fest. Es dauere alles etwas länger, als 1990 erträumt, „aber von Pfingsten an können auch die Freunde der Antike sagen, Berlin wird“. 
Das Alte Museum und der Lustgarten sind erste Zeugen für die schiefe Bahn, auf die die Antike in Berlin nach ihrer glänzenden Geschichte im 19. Jahrhundert seit den 30er Jahren dieses Jahrhunderts geraten ist. Höhepunkte eines 
falschen Antikenbezugs waren die Pflasterung des Lustgartens 1935 und die Instrumentalisierung des neugeschaffenen Platzes vor dem Schinkelschen Museum für die Aufmärsche der Nazis. Die Folgen sind für das Alte Museum schnell und katastrophal gekommen. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, der Berlin, Deutschland und Europa mit sich gerissen hat, war das Museum 1945 total zerstört. Die Experten sind sich weitestgehend einig, daß die darauf folgende Aufteilung der Berliner Antiken - so liebevoll man sich ihrer Teilbestände in Ost und West auch angenommen hatte - einer weiteren 40jährigen Fehlentwicklung Vorschub geleistet hat. Professor Heilmeyer: „Diese ist in der geringen Bedeutung der Antike gegenüber der plakativen Moderne im Bildungssystem von Ost und West abzulesen.“ Das kleine, wenn auch attraktive Antikenmuseum habe in Charlottenburg stets hinter der sich ausbreitenden Kunst des 20. Jahrhunderts zurückgestanden. „Und die Antikensammlung auf der Museumsinsel mußte ihr Stammhaus der Präsentation des sozialistischen Realismus überlassen.“ Wie gehen die Verantwortlichen der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz heute mit der jüngeren Geschichte um? „Es kann jetzt nicht darum gehen, diese Zeit ungeschehen zu machen. Aber es muß darum gehen, an die guten Traditionen, denen die Antike im preußischen 19. Jahrhundert angehörte, wieder anzuknüpfen und die erheblichen Fortschritte, die unsere Kenntnis von der Antike in den letzten beiden Generationen vor allem außerhalb Deutschlands gemacht hat, einzubeziehen“, so der Direktor. „Neue Antike im Alten Museum“ heißt daher auch die Rückkehr der wiedervereinigten Berliner Antikensammlung zu ihrem angestammten Platz im Herzen Berlins. 
 

 Thomas Steierhoffer
(Ausgabe Nr. 18 / 3.5.98)
Bildzeile: 
Das Mädchen: Leihgabe des Thermenmuseums in Rom - Jetzt im alten Museum zu 
sehen (Foto: Staatliche Museen zu Berlin)