In der Katholischen Kirchenzeitung Nr. 8/98 lesen Sie auf der Seite 18 den folgenden Beitrag:
Wenn die S-Bahn durch die Oase rumpelt
Auf der ersten Geburtstagsparty von Radio Paradiso, dem Privatsender mit christlicher Prägung 

Ganz zum Schluß kam dann auch die wirklich "Gute Nachricht“, die Radio Paradiso jeder allgemeinen Nachrichtensendung gerne voranstellt: "Das Buffet ist eröffnet!“ Von Ruhe und Entspannung konnte zu Beginn der Einjahresfeier des Berliner Radios mit christlicher Prägung nicht die Rede sein. Obwohl man gerade sein Logo von "Radio Paradiso - christliches Radio Berlin“ in "98zwo Radio Paradiso - Radio zum Auftanken!“ geändert hat, soll das im weitesten Sinne christliche Profil unangetastet bleiben. Eher stressig ging es zu, als Geschäftsführer und Programmdirektor Rainer Thun, Chefredakteur Matthias Gülzow und die gerade zum Sender gestoßene Marketing-Expertin Irene C. Johnson ihre erste Jahresbilanz vor der Presse zogen. Im Viertel- Minuten-Takt donnerten die Wagen der S-Bahn-Linien 5, 7 und 9 sowie diverse Personen- und  Güterzüge über die Katakomben rund um den Savignyplatz in Berlin-Charlottenburg. In einem hier angesiedelten Restaurant gaben sich die Macher  des ersten privaten Radios mit christlicher Prägung in Berlin die Ehre, auf  ihr segensreiches Tun im Äther hinzuweisen. Im Ansprechen gegen den Lärm taten  sich die drei Radioleute schwer. Immerhin werben sie mit dem Slogan, eine 
„stressfreie Oase im Berliner Radiomarkt“ zu sein. Und da muß es eher befremdlich klingen, wenn die Stimmen lauter dröhnen, als vielleicht aus dem  Radio gewohnt. Aber immerhin waren wichtige Botschaften an die Kolleginnen und 
Kollegen der schreibenden Zunft zu überbringen. Vor der Tür schepperten, quietschten und trillerten die gerade von der Leine gelassenen „Streß-Buster“. Der Begriff kommt, wie so viele neudeutsche Worte, aus dem nordamerikanischen Kulturkreis. Sein Sinn erschließt sich in etwa so:  „Wir halten euch den Streß vom Leib“. Und zwar auf Teufel komm raus. So war auch ein lautes, Hektoliter Benzin fressendes Streß-Buster-Mobil zur Stelle. Im offenen Fond des 75er Cadillac Fleetwood thronte ein knallrotes Teufelchen, dessen über den Körper gespannte und verdrahtete Lichtanlage schrill vor sich hinblinkte. Warum das eigentlich positive Ansinnen, Berlinerinnen und Berliner vor Streß zu schützen, ihnen exemplarisch bei der Bewältigung ihrer Alltagssorgen unter die Arme zu greifen, allerdings nur mit lautstarkem, grellbunten Auftritt möglich sein soll, will nicht richtig einleuchten. Vielleicht hat auch das mit amerikanischem Denken zu tun: Nur wer möglichst ausgefallen auf sich aufmerksam macht, wird heute überhaupt noch wahrgenommen. Ein Jahr existiert Radio Paradiso nunmehr. Viele hatten beim ‘97er Start nicht einmal daran zu denken gewagt, der Sender könne die Jahreswende überdauern. Doch Totgesagte leben bekanntlich lange. Wenngleich die finanzielle Lage am ersten Geburtstag alles andere als paradiesisch anmutet. Gerade hat Geschäftsführer Thun eine nicht unerhebliche Summe zur Finanzierung seines laufenden Haushalts bei seinen evangelischen Gesellschaftern - der Berliner und der Nordelbischen Kirche - beantragt. Der Jahresetat wurde von drei auf vier Millionen Mark aufgestockt. „Dreht die Kirche 98zwo Radio Paradiso den Geldhahn ab?“ wurde Thun in der Vergangenheit nicht nur einmal gefragt. Die 
Zahlen sagen jetzt eher das Gegenteil aus. Der Geschäftsführer und sein junges Team sind optimistisch. „Jetzt kommt es darauf an, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu operieren“, sagte Thun. Bei Radio Paradiso soll nach eigenem Bekunden kein Profit erwirtschaftet werden. Ziel ist es, das Stammkapital der Gesellschaft von einigen Millionen Mark nicht über die Antenne zu jagen. „Irgendwann soll sich der Sender selbst tragen“, betonte Chefredakteur Matthias Gülzow. Die für eine lukrativere Beteiligung am Berliner Werbekuchen sehnlichst erwartete Medienanalyse soll im März ins Funkhaus am Kleinen Wannsee flattern. Darin sind so wichtige Daten wie stündliche Hörerbeteiligung oder Alters- und Sozialstruktur der mit Radio Paradiso verbundenen Hörerschaft ausgewiesen. Die neue Marketing-Fachfrau Irene C. Johnson kennt die Bedeutung der Analyse genau. Erst wenn die Zahlen schwarz auf weiß abrufbar sind, erkennt die zahlungskräftige werbende Wirtschaft den Wert eines Senders an. Die teuren Spots werden natürlich nur dort plaziert, wo Erfolg garantiert werden kann. Sollte sich herausstellen, daß Paradiso als Werbeträger interessant ist, kann die Mannschaft um Thun mit Einnahmen rechnen. Derzeit sucht der Geschäftsführer auch weiterhin eifrig nach neuen 
Gesellschaftern. Neben eher symbolischen Beiträgen der oben genannten Kirchen (Berlin 10.000 Mark, Nordelbische 150.000 Mark) sind bundesweit weitere 24 Gesellschafter an Radio Paradiso beteiligt. Zu ihnen gehören die HUK-Coburg, die Bruderhilfe, das Moses-Mendelsohn-Zentrum sowie eine evangelische Großbank. Daß sich die katholische Kirche bislang nicht durchringen konnte, finanziell bei Radio Paradiso einzusteigen, bedauert Rainer Thun zutiefst. Froh sind er und sein Chefredakteur hingegen über die enge Zusammenarbeit mit Stefan Förner von der Katholischen Rundfunkarbeit im Erzbistum Berlin. Förner liefert Beiträge aus dem katholischen Bereich und moderiert insgesamt sechs Wochenstunden. Zu seinen festen Sendeplätzen gehört der allmorgendlich ausgestrahlte „Heiligenkalender“, das „ParadisOhr“ (mittwochs 18-20 Uhr) sowie das Morgenmagazin am Samstag. 
 Eine Oase zum Auftanken will Radio Paradiso auf dem heftig umkämpften Berliner Radiomarkt sein. Ein wenig davon war im Anschluß an den offiziellen Presseteil unter den S-Bahn-Bögen am Savignyplatz zu spüren. Eher ruhig und besinnlich ging es zu beim üppigen Geburtstagsbuffet. Jedoch die  Züge polterten auch weiterhin über den Köpfen der versammelten Presse. 
 

 Thomas Steierhoffer
(Ausgabe Nr. 8 / 22.2.98)
 
Radio Paradiso sendet auf der Berliner UKW-Frequenz  98,2 Mhz. Derzeit bemüht sich der Sender um die in Schleswig-Holstein ausgeschriebene "vierte Radiokette“. Sollte Paradiso im Herbst den Zuschlag erhalten, wird das Mantelprogramm aus Berlin geliefert. Ergänzt werden soll es mit lokalen Fenstern. Radio Paradiso ist seit Silvester als erster Berliner Privatsender auch im Internet zu empfangen.