„Lauter nette Menschen“

Seniorenwallfahrt nach Alt-Buchhorst war im „Jahr der Senioren“ ein Höhepunkt im Erzbistum Berlin

Alt-Buchhorst - Dieser Tag war wieder einmal ein „Erfahrungsgeschenk“, betonte Weihbischof Wolfgang Weider. „Eine Erfahrung, daß wir nicht allein sind“. Die Seniorenwallfahrt nach Alt- Buchhorst, eigentlich die jüngste unter allen Wallfahrten zur Schutzengelmadonna nach Alt-Buchhorst, war zweifelsohne ein Höhepunkt im Jahreskalender des Erzbistums. Im „Jahr der Senioren“ 1999, von der UNO proklamiert und angestoßen von einer jetzt 72jährigen Frau aus der Dominikanischen Republik, reisten mehr als 4.000 Senioren mit ihren Pfarrern oder Gemeindereferenten, Diakonen oder pastoralen Mitarbeitern an. Die weiteste Gruppe waren die 23 Seniorinnen und Senioren aus den kleinen Gemeinden der Insel Rügen, begleitet von Diakon Kießig aus Binz/Rügen. „Um Viertel vor vier Uhr heute morgen standen die ersten vor dem Bus“, erklärt Diakon Kießig. „Wenn es keine Staus gibt, sind wir heute Abend um 22 Uhr wieder zu Hause“.
Aus allen Teilen des Erzbistums - aus Anklam, Demmin und Altentreptow in Vorpommern ebenso, wie aus Belzig im Fläming und Frankfurt an der Oder, aus dem Havelland und der Uckermark waren sie angereist. Als „Zeichen der Nächstenliebe - ein Da-Sein für den anderen“, so Caritas-Pfarrer Dr. Stefan Dybowski, erhielten alle Wallfahrtsteilnehmer am Nachmittag eine rote Rose überreicht. Dieses Symbol der Rose, von Pfarrer Dybowski unter Hinweis auf die hl. Elisabeth und das sogenannte Rosenwunder erklärt, bedurfte aber eigentlich keiner großen Erklärung. Die anwesenden Senioren praktizierten das längst. Das Miteinander an diesem Wallfahrtstag begann schon bei ganz kleinen Gesten beim Mittagessen. Es gab Reiseintopf mit Hühnerfleisch. Der eine bekam eine Kelle voller Reis und Fleisch, der andere mehr Suppe. An den langen Holztischen erlebte ich folgenden Dialog: „Das ist ja viel zu viel, vor allem viel zu trocken“. - „Wollen Sie ein bißchen Suppe von mir?“ - „Ja, dann muß ich Ihnen aber etwas von meinem Reis und Fleisch abgeben“. So geschah es. Und plötzlich kam man auch über andere Dinge ins Gespräch. „Von wo kommen Sie?“. - „Aus Mater Dolorosa in Buch. Und Sie?“ - „Aus dem Süden Berlins, aus Lankwitz“. - „Ach, das kenne ich noch nicht. Wer ist denn dort Pfarrer?“...
Die Seniorenwallfahrt ist, das haben auch die „Offiziellen“, wie Peter Matz vom Seelsorgeamt und Seniorenseelsorger Pater Heribert Skirde SJ, festgestellt, das größte Begegnungstreffen in unserem Erzbistum. „Ein echter Familientag der Senioren“, so Pater Skirde. Denn die Alten brachten auch die Jungen mit, so die Oma aus Potsdam-Babelsberg ihren kleinen Enkel Maximilian, 3 Jahre alt - übrigens der jüngste Teilnehmer dieser Wallfahrt.
Das Motto dieser Wallfahrt war identisch mit all den anderen Großereignissen im Erzbistum in diesem Jahr des „Gottes, unseres Vaters“: „Unterwegs zum Vater“. Weihbischof Wolfgang Weider, der die Wallfahrtsmesse in Konzelebration feierte, hatte in seiner Predigt gerade dieses „Unterwegs“ aufgegriffen. Die Anwesenden hätten viele Stationen auf diesem Weg bereits hinter sich, einen „langen und bewegten Weg“, der sie „reifer und gelassener gemacht“ hätte. Unser Leben sei ein Weg zunächst einmal in die Freiheit. Der Vater lasse uns ziehen, die Welt stehe offen. Man habe eine Familie gegründet, Freundschaften geschlossen, oft sei aber auch eine Tür zugeschlagen worden, es habe Enttäuschungen gegeben. Und doch immer wieder einen neuen Anfang. Natürlich gab es auch immer wieder den Mißbrauch der Freiheit. Weihbischof Weider: „Wer nur noch genießen will, wird süchtig. Wer nur noch sich leben will, kann sich nicht loslassen“. Er verwies auf die vielen Menschen, die keinen inneren Frieden finden, unversöhnt sind, gefangen in ihren Lebensgewohnheiten... Doch es sei, so der Weihbischof, nie zu spät, solange man auf dem Weg durch diese Welt ist, umzukehren, „ein neues Ja zum Willen Gottes zu sagen“. Wer Gott in den Sorgen und Plagen annehme, den nehme auch Gott an.
Der Weihbischof betonte, daß dieser Tag ein „Erfahrungsgeschenk“ sei, „daß wir nicht allein sind“. Er sagte, daß der Weg zum Vater auch immer ein Weg in die Gemeinschaft mit den Anderen sei, auch mit den Notleidenden, die man mitnehmen müsse „in unsere tätige Liebe“. Er lobte abschließend die segensreiche Tätigkeit der vielen Seniorenkreise in den Gemeinden des Erzbistums.
Die Kollekte beim Wallfahrtsgottesdienst war bestimmt für das Projekt „Kinderhaus Sonnenblume e.V.“ der Franziskanerin Schwester Monika in Schönow bei Berlin. Sie stellte am Nachmittag ihr Projekt für ausgesetzte Kinder und Waisenkinder vor. (Die KirchenZeitung berichtete darüber).
Ansonsten war die Zeit nach dem gemeinsamen Mittagessen eher eine Zeit des fröhlichen Beisammenseins mit einem heiteren Programm unter der Moderation von Herrn Klemt von der Seniorenbegegnungsstätte Dänenstraße in Prenzlauer Berg. Der Chor der katholischen Liebfrauenschule aus Berlin-Charlottenburg, der schon den Gottesdienst musikalisch bereicherte, Pfarrer Dr. Dybowski mit seinem Akkordeon, Diakon Werner Kießig mit seiner Gitarre und Otto-Reuter-Couplés stimmten die Anwesenden froh und heiter. Kaffee und Kuchen taten ein übriges zur guten Laune - natürlich auch Petrus, der für angenehmes, etwas kühles, aber dennoch sonniges Wetter sorgte.
Kleine Pannen waren unvermeidlich. Da fehlte plötzlich der vorgesehene Lektor im Gottesdienst und der Kaffee war plötzlich alle, die Mikrofonanlage streikte mal und bei der Kommunion- austeilung fand so mancher Priester nicht den für ihn vorgesehenen Standplatz - doch insgesamt tat das der Stimmung keinen Abbruch.
Die älteste Teilnehmerin, Emilie Beckert (103) aus Berlin-Wilhelmsruh, die übrigens zum ersten Mal an der Seniorenwallfahrt nach Alt-Buchhorst teilnahm, äußerte sich gegenüber der KirchenZeitung sehr zufrieden: „Ich finde das hier ganz toll. Warum war ich nicht längst schon einmal hier? Lauter nette Menschen!“

Georg von Glowczewski
(C) by Georg von Glowczewski
Nr. 26/99 vom 4. Juli 1999