Noch immer Tabu: Sterben und Tod 

Greifswalder Hospizdienst begleitet Menschen in letzten Lebensphasen

Greifswald - Seit kurzem gibt es in der Hansestadt Greifswald einen neuen Hospizdienst. Evangelische und katholische Christen aus den Gemeinden der Stadt sowie Nichtchristen versuchen, Sterbende und ihre Angehörigen auf ihrem schweren Weg zu begleiten. Ziel der Begleitung ist es, die letzte Lebenszeit bewußt zu gestalten und, wo es möglich ist, das Sterben zu Hause oder in vertrauter Umgebung zu ermöglichen. Unabhängig von der Art der Erkrankung, vom Alter, von der Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung begleiten ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des neuen Greifswalder Hospizdienstes durch die Zeit von Abschied und Trauer. Wir sprachen mit dem Pfarrer beim Diakonischen Werk der Pommerschen Evangelischen Kirche, Philip Stoepker, über das Projekt Hospizdienst. Der aus den Niederlanden stammende Geistliche gehört zu den Initiatoren. 

Frage: Pfarrer Stoepker, jetzt haben Sie in Greifswald begonnen, eine Hospiz-Bewegung ins Leben zu rufen. Wo liegen die Gründe für dieses Engagement?
Stoepker: Die Gründe liegen besonders darin, daß es in Greifswald auf diesem Gebiet bislang gar nichts gab. Aus meiner Erfahrung als Pfarrer weiß ich jedoch, daß die meisten Menschen im Krankenhaus sterben. Die Bedingungen waren und sind hier häufig schlecht. Ich halte es für enorm wichtig, Menschen die Chance zu geben, in Würde zu sterben. Einen ganz persönlichen Grund für mich als Pfarrer sehe ich in der Aufgabe der Kirchen, Sterbende zu begleiten.

Frage: Konnten Sie hier in Greifswald auf Erfahrungen aufbauen, vielleicht auf private Ini-tiativen?
Stoepker: Nein, der Hospizdienst vor Ort ist eine ganz neue Sache. Wir leisten den Dienst mit ausgebildeten Personen, die ihre Aufgaben ehrenamtlich erfüllen. Genau sind es derzeit neun Frauen, die über eine Ausbildung oder über eine Befähugung verfügen.

Frage:Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und Ärzten?
Stoepker: Greifswald ist eine Universitätsstadt. Es gibt hier ein Uni-Klinikum. Unter anderem mit einer guten Abteilung für Schmerzmedizin. Mit denen arbeiten wir sehr gut zusammen. Seit ungefähr zwei Jahren unterhalten die Ärzte dort ein Pilotprojekt „Schmerztherapie für Krebs- und Tumorkranke“. Und das halte ich für sehr wichtig für den Hospizdienst, daß den Patienten eine gute Schmerztherapie zuteil wird. Uns geht es um eine bewußte Begleitung. Und bekanntlich können Schmerzen sehr bewußtseinstrübend und bewußtseinseinengend wirken.

Frage:Wie nehmen Sie Kontakt zu den Patienten und ihren Angehörigen auf?
Stoepker: Das ist momentan unser größtes Problem. Als wir mit unserem Dienst begonnen hatten, wurde die Initiative sehr begrüßt. Andererseits merke ich: Themen wie Sterben und Tod sind Tabuthemen, denen sich keiner richtig zu nähern wagt. Die Hemmschwelle, über diese Phasen des menschlichen Lebens zu sprechen, damit umzugehen ist unwahrscheinlich hoch. Will man den Hospizdienst derzeit in Greifswald in Anspruch nehmen, muß man sich selber darüber klar sein, daß man in kürzerer Zeit sterben wird. Oder anders gesagt: Der Patient muß selbst wissen, daß der eigene Tod wahrscheinlicher ist als die kurzfristige Chance auf Heilung. Oft wird unter dem Stichwort Sterbebegleitung lediglich eine Phase von 24 Stunden, die letzten 24 Stunden, verstanden. Sehr selten werden die letzten Wochen oder Monate als Sterbenszeit begriffen. Hier wird bei Angehörigen und bei Patienten vieles verdrängt. Wir möchten helfen, die Sterbenszeit als Lebenszeit zu gestalten. Das wird immer ein Wagnis sein.

Frage: Wie sieht das konkret aus. Rufen Sie die Menschen an, nehmen Sie Kontakt auf? Oder wenden sich Kranke und ihre Angehörigen an Sie?
Stoepker: Wir sind bisher sehr zurückhaltend gewesen. Nachdem wir uns jedoch in lokalen Zeitungen vorgestellt hatten, kamen einige Anfragen. Jetzt stelle ich fest, daß es eher wieder ruhig geworden ist. Wir wollen eigentlich nicht auf Menschen zugehen und uns präsentieren, sondern wir warten, bis sie sich bei uns melden. Schritte hinein ins Klinikum haben wir gemacht. Die Ärzte und Schwestern kennen uns. Doch jetzt müssen wir darüber nachdenken, ob wir eine neue Runde der Öffentlichkeitsarbeit über die Medien starten. Voraussetzung für eine gute Arbeit ist immer, daß wir von den Sterbenden und den Angehörigen gewollt werden. 

Interview: Thomas Steierhoffer

Den Hospizdienst in Greifswald erreichen Sie in der Domstraße 27, 17489 Greifswald. Tel./Fax: 03834 / 89 95 12. © by Thomas Steierhoffer Nr. 5/99 vom 7. Februar 1999