Der Heilige
des Monats August:
"Der Pfarrer
von Ars" (Jean Marie Vianney) - 4.
August
Wie muss man sein, was muss man tun, um der
Schutzpatron der katholischen Pfarrer zu werden?
Gewiss entspringt diese Frage nicht der
Gedankenwelt des Heiligen selbst, doch bezeichnet
sie einen ersten Versuch eines Laien, sich dem
Unerklärlichen, eben dem "Heiligen" zu
nähern. Um der unfassbaren
Persönlichkeit des Pfarrers von Ars gerecht
zu werden, nennt Walter Nigg ihn - sicherlich in
bester Absicht - einen "erleuchteten Idioten", um
einige Zeilen weiter einzugestehen, dass niemand
das Wunderbare dieser Person auch nur
annähernd begreifen könne. Ihre
Lebensgeschichte ist freilich
außergewöhnlich und lässt das
Wirken Gottes erahnen.
Als Kind einfachster Bauersleute kam Jean am
8. Mai 1786 in der Nähe von Lyon zur Welt.
Seine Jugend war von den Wirren der
Französischen Revolution geprägt, die
auch Phasen der Unterdrückung und Verfolgung
von Glaube und Kirche hervorbrachte. Der Junge
erhielt heimlich Religionsunterricht und wollte
bald Priester werden. Doch musste er das
Priesterseminar als Versager verlassen - seine
Begabung reichte nicht für das Erlernen von
Latein. Mit der Unterstützung eines Pfarrers
konnte er auf Grund seiner Frömmigkeit
dennoch die Priesterweihe empfangen und wurde
1819 an die weitgehend verwahrloste Pfarrei von
Ars in der Umgebung von Lyon versetzt.
Dort nun setzt das Unerklärliche ein.
Durch Beharrlichkeit und eine
unerschöpfliche Geduld, durch entwaffnende
Freundlichkeit und immerwährende Güte
bekehrte der Pfarrer seine Gemeinde innerhalb
weniger Jahre vollständig. Bald war er
über die Region hinaus bekannt, so dass
regelrechte Wallfahrten einsetzten. Die Menschen
strömten in Massen nach Ars, weniger um die
Predigten des schlichten Seelsorgers zu
hören, in denen er immer wieder stockte oder
beschämt Gedanken abbrach, sondern um seine
außergewöhnliche Persönlichkeit
zu erleben. Deren augenfälligstes Merkmal
war die Askese. Auf jede erdenkliche Weise
misshandelte er seinen Körper, den er
"Kadaver" zu nennen pflegte. Seine Nahrung war
minimal - "er lebte von dem, wovon jeder andere
gestorben wäre", so ein Augenzeuge. Er
schlief in einem Holzbett auf einem fast leeren
Strohsack. Seine Wohnung und die erhaltenen
Gebrauchsgegenstände beeindrucken durch ihre
Kargheit. Gleichzeitig reduzierte er sein
Schlafbedürfnis auf 2-3 Stunden.
Gewöhnlich erhob er sich um 2 Uhr nachts, um
die Beichte der Wartenden zu hören, in der
Regel 15 (!) Stunden lang, der Rest des Tages war
mit Heiligen Messen, Gebeten, Gesprächen und
Ansprachen ausgefüllt. Dabei plagten ihn
abwechselnd Kopfschmerzen, ein Bruchleiden und
ein hartnäckiger Husten. Gleichwohl lebte er
in steter Furcht, Gott nicht gerecht zu werden,
und bezeichnete seine aufkommende Verzweiflung
darüber als seine "Versuchung". Mehrfach
wollte er sich deswegen in die Stille eines
Klosters zurückziehen und unternahm
regelrechte Fluchtversuche, von denen einer
nachts scheiterte: Er wurde von der alarmierten
Gemeinde, die ihn weinend umdrängte,
zurück in seinen Beichtstuhl getragen.
Dort muss sich wohl das wahre Wunder dieses
Heiligen immer wieder ereignet haben. Die
Menschen waren gefesselt von seiner
Fähigkeit, Sünden klar zu benennen,
eine tiefe Gewissenserforschung und Reue
hervorzurufen und gleichzeitig die Liebe Gottes
im Verzeihen spürbar werden zu lassen. Zu
ihm strömten Menschen jedes Standes und
Ranges, Reiche und Arme, Gelehrte und selbst
Würdenträger der Kirche, wie der
Bischof seiner Diözese. Aus Liebe zu den
Menschen verharrte er bis einige Tage vor seinem
Tode am 4. August 1859 in seinem Beichtstuhl,
ausgezehrt und erschöpft.
Natürlich war dieser kleine ungebildete
Landpfarrer mit seinem Charisma ein tiefer
Stachel im Fleisch des Zeitgeistes, der sich dem
Rationalismus, dem Positivismus und einer
allgemeinen Wissenschaftsgläubigkeit
verschrieben hatte. Mit vielen anderen Heiligen
verbindet den Pfarrer von Ars vor allem die
Erfahrung, dass das Wirken und die Gnade Gottes
sich nicht im Einklang mit Mehrheitsmeinungen und
Zeitströmungen entfalten und sich rational
fassen lassen.
J. Schweier
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