Der Heilige des Monats:

Pater Dr. Alfred Delp SJ

Um Missverständnissen vorzubeugen: Alfred Delp ist - noch ? - kein Heiliger, auch wurde er bisher nicht seliggesprochen. Aber er zählt nach dem jüngst erschienenen und von der Deutschen Bischofskonferenz herausgegebenen Martyrologium zu den bekanntesten Blutzeugen des 20. Jahrhunderts. Er verdient unsere besondere Aufmerksamkeit, da sein Tod ein Beispiel einerseits der modernen Unmenschlichkeit, andererseits eines unerschütterlichen Gottvertrauens ist.

Alfred Delp wurde am 15. September 1905 in Mannheim geboren und wuchs mit fünf Geschwistern auf. Er war zwar katholisch getauft, wurde aber im evangelischen Glauben seines Vaters erzogen. Erst ein Konflikt mit einem Pastor brachte ihn zu einem engagierten Leben in der katholischen Kirche, das äußerlich dann sehr geradlinig verlief: Auf Vermittlung seines Ortspfarrers besuchte er das bischöfliche Konvikt in Dieburg, arbeitete als Jugendführer im Bund Neudeutschland (ND) und trat 1926 in das Noviziat der Gesellschaft Jesu bei Feldkirch in Vorarlberg ein. Er durchlief die Ausbildung der Jesuiten, in der theologische und philosophische Studien mit praktischen Fähigkeiten, etwa der eines Erziehers, verbunden wurden. Während seiner Studienzeit promovierte er zum Dr. phil.

Am 24. 6. 1937 wurde er in München zum Priester geweiht. Seine philoso-phischen Fähigkeiten führten ihn zur Redaktion der Jesuitenzeitschrift "Stim-men der Zeit" nach München. Nachdem die Gestapo 1941 das Haus beschlag-nahmt hatte, kam Delp in eine kleine Gemeinde nach München-Bogenhausen, wo er deutlicher Stellung gegen das Herrschaftssystem des Nationalsozialismus bezog. Sein Provinzial brachte ihn deshalb in Verbindung mit der Widerstands-gruppe um den Grafen Helmuth James von Moltke, der zusammen mit ca. zwanzig anderen Männern aus unterschiedlichen Schichten den "Kreisauer Kreis" bildete. Auf seinem schlesischen Gut bei Kreisau fanden geheime Treffen statt, bei denen die moralische und politische Neuordnung Deutschlands entworfen wurde. Der Historiker van Roon bezeichnet Delp als "die vielleicht geistig be-deutendste Persönlichkeit" der Widerstandsgruppe. So formulierte der Jesuit in schneidender Klarheit eines ihrer Ziele: "Wiederherstellung des Bewusstseins von naturgegebenen, von jeder staatlichen und politischen Ordnung unabhäng-igen Menschenrechten, deren Beschneidung und Vergewaltigung den Menschen zerstört und jedem gesellschaftlichen Leben Sinn und Berechtigung nimmt". Unser Grundgesetz beruht im übrigen genau auf solchen Gedanken. Der Jesu-itenpater war auch im soziologischen Denken geschult und versuchte auf der Grundlage der päpstlichen Sozialenzykliken Grundbegriffe wie "soziale Ge-rechtigkeit", "Sozialpflichtigkeit des Eigentums", "Familienlohn", "bessere Bil-dungschancen" in die Diskussion um die gedachte Nachkriegsordnung ein-zubringen.

Erst nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 gelang es der Gestapo, den Kreisauer Kreis aufzuspüren und dessen Mitglieder zu verhaften. Delps Freunde rieten ihm, da er auch Verbindung zum Attentäter von Stauffenberg hatte, unterzutauchen. Doch er weigerte sich, wurde am 28. Juli verhaftet und nach Berlin verbracht, wo er in drei Gefängnissen festgehalten wurde: im Gestapo-Gefängnis Lehrter Str. 3, in der Haftanstalt Tegel und im Hinrichtungsgefängnis Plötzensee.

Nach schrecklichen Wochen der Folterungen und Verhöre in Gestapo-Händen wurde er mit den übrigen Kreisauern in Tegel zusammengelegt, wo er eine tiefgehende literarische Tätigkeit entfaltete: Er verfasste Advents - und Weihnachtsmeditationen, Aufzeichnungen zu einem "Theonomen Humanismus", zur "Erziehung des Menschen zu Gott", über "Das Schicksal der Kirchen" und über "Deutschland". Am 9. Januar 1945 führte der Volksgerichtshof den Prozess unter dem berüchtigten Richter Freisler durch. Die Angeklagten wurden vorgeführt, beschimpft, für ehrlos erklärt und zum Tode verurteilt, wobei die redlichen Verteidigungsbemühungen der Angeklagten die Wut des Vorsitzenden nur noch steigerten.

Als Alfred Delp von den nachfolgenden Hinrichtungen seiner Mitstreiter erfuhr und jede Hoffnung auf ein Überleben aufgeben musste, kam er der Verzweiflung nahe, fand jedoch seine innere Fassung durch die völlige Hingabe an Gottes Willen wieder. So schrieb er im Bewusstsein des nahenden Todes: "Das allgemeine Schicksal, meine persönliche Lage, die Entscheidungen der nächsten Tage ..... alles sammelt sich in das eine: Mensch, lass dich los zu deinem Gott hin und du wirst dich selbst wieder haben. Jetzt haben dich andere, sie quälen dich und erschrecken dich und jagen dich von einer Not in die andere. Dann die Freiheit, die singt: Kein Tod kann uns töten!" Am 23. Januar 1945: "Heute ist ein harter Tag. Nun sind alle meine Freunde und Gefährten tot, nur ich bin zurückgeblieben ....... Ich bin sehr müde vor Traurigkeit und Schrecken ..... Mehr als je steht mein Leben nun absolut auf Gott. Ich bete und vertraue und übergebe und verlasse mich auf den Herrn."

Am 2. Februar 1945 gegen 15 Uhr wird Alfred Delp im hässlichen Hinrichtungsschuppen von Plötzensee gehenkt. Er hat sich bis in die letzten Stunden seines Lebens mit seinen Visionen auseinandergesetzt: der Vision einer sozialen und gerechten Gesellschaft, der Vision einer menschenfreundlichen und dienenden Kirche und der Vision eines neuen anbetenden Menschen. Ganz bewusst verstand er seine Gedanken als Dienst am Nächsten und hinterlässt uns damit ein dauerndes Vermächtnis: "Wenn der Herrgott diesen Weg will - und alles deutet darauf hin - dann muss ich ihn freiwillig und ohne Erbitterung gehen. Es sollen einmal andere besser und glücklicher leben können, weil wir gestorben sind."

Diese "anderen" sind wir.

J. Schweier

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